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Ankommende Passagiere aus Asien am Flughafen von Los Angeles

© AFP/Mark Ralston

Diskriminierung wegen Coronavirus: „Ich bin kein Virus“

Chinesen fürchten ihre Landsleute aus Wuhan, Europäer ängstigen sich vor Asiaten: Die Furcht vor dem Coronavirus führt zu Anfeindungen.

Die Wohnungstür besitzt ein Schloss, doch das genügt den chinesischen Behörden nicht. Sie montieren von außen zusätzliche Eisenstangen, eine vertikale Stange soll das ganze Konstrukt absichern. Daneben hängt ein Plakat mit den Worten: „Diese Familie ist aus Wuhan zurückgekehrt – kontaktieren Sie sie nicht.“

Dieses Video einer von den Behörden eingesperrten chinesischen Familie macht seit einigen Tagen in den sozialen Netzwerken die Runde. Es ist unklar, wo die Bilder aufgenommen worden sind, es gibt auch bisher keine weiteren Informationen dazu.

Doch es sind nicht die einzigen Bilder von chinesischen Türen, die von außen verbarrikadiert worden sind. Auch kursiert ein Dashcam-Video, auf dem ein Taxifahrer einen hustenden Fahrgast aus dem Fahrzeug wirft, nachdem dieser zugegeben hatte, vor Kurzem aus Wuhan zurückgekehrt zu sein.

Weil die Ausbreitung des neuen Coronavirus in der Elf-Millionen-Stadt ihren Anfang genommen hat, rufen Menschen aus Wuhan in China vielerorts Angst vor einer Ansteckung hervor. Personen, die vor der Abriegelung am 23. Januar die Stadt verlassen haben, werden nun woanders aus dem Ort herausgeworfen, ihnen wird Essen in Restaurants verweigert, Hotels geben ihnen keine Zimmer.

Das berichtet „Radio Free Asia“ unter Berufung auf zahlreiche Beiträge bei Sina Weibo und WeChat, den größten sozialen Netzwerken in China. Doch die Angst vor Ansteckung führt nicht nur zu Diskriminierungen innerhalb Chinas. Auch außerhalb werden Chinesen und mitunter auch asiatisch aussehende Menschen diskriminiert.

Hashtag zum Coronavirus

Unter dem Schlagwort „Ich bin kein Virus“ wehren sich Tausende Asiaten auf Twitter gegen Anfeindungen wegen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus. In französischsprachigen Ländern posten Twitter-Nutzer unter dem Hashtag #JeNeSuisPasUnVirus Kommentare oder Fotos, wehren sich gegen Ausgrenzung und offenen Rassismus. „Ich weiß, dass die ganze Welt Angst vor dem Virus hat, aber keine Vorurteile bitte“, schreibt ein junger Mann.

Der Hashtag geht auf eine junge Französin asiatischer Abstammung zurück, die zu Wochenbeginn anonym dazu aufgerufen hatte, Beispiele für Anfeindungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus im Internet zu veröffentlichen. „Die Gesundheitskrise des Coronavirus hat rassistische Parolen in den Medien und den sozialen Netzwerken hervorgerufen“, schreibt die Frau in ihrem Aufruf.

Viele asiatisch aussehende Menschen würden schief angesehen oder beleidigt. Sie würden etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln aufgefordert: „Zieh deine Maske an!“ Sie habe auch von Eltern gehört, die ihre Kinder gewarnt hätten: „Nimm dich vor den Chinesen in Acht!“

Die französische Zeitung „Courrier Picard“ aus Nordfrankreich musste sich zuvor für die Schlagzeile „Alerte jaune“ (gelber Alarm) auf ihrem Titelblatt entschuldigen, die sie über das Foto einer Chinesin mit Maske legte.

Coronavirus: Macau bringt 150 Reisende aus Hubei zurück nach Festlandchina

In Hongkong steigt unterdessen der Druck auf die lokale Regierung, alle Grenzübergänge zur ebenfalls stärker betroffenen Provinz Guangdong abzuriegeln. Rund 90 Krankenpfleger meldeten sich am Donnerstag krank, um dagegen zu protestieren, dass die Hongkonger Regierung das noch nicht gemacht hat.

Zudem kündigte das medizinische Personal einen Streik für die nächste Woche an. Das berichtet die „South China Morning Post“. Auch fordern neu gegründete Gewerkschaften des Hotelpersonals ihre Arbeitgeber dazu auf, Gäste aus Festlandchina abzuweisen.

In Hongkong hat die Polizei inzwischen Informationen über die Herkunft der Gäste aus 110 Hotels erhoben, allerdings keine weitergehenden Maßnahmen getroffen. Die benachbarte chinesische Sonderverwaltungszone Macau hingegen hat bereits 150 Reisende aus der Provinz Hubei zurück nach Festlandchina deportiert.

Coronavirus und politischen Auseinandersetzungen

In Hongkong vermischt sich der Kampf gegen das Coronavirus auch mit der aktuellen politischen Auseinandersetzung. Seit Juni gibt es in der chinesischen Sonderverwaltungszone Proteste gegen die Regierung, der unter anderem zu große Nähe zu Festlandchina vorgeworfen wird.

Auch außerhalb Chinas wird unterschiedlich mit Menschen aus Wuhan umgegangen. Die Bundesregierung plant offenbar eine 14-tägige Quarantäne für die rund 90 Bundesbürger, die voraussichtlich am Samstag aus Wuhan zurückgeholt werden sollen. Die USA haben für die Passagiere des ersten Evakuierungsflugs eine „freiwillige Quarantäne“ von 72 Stunden verhängt.

Canberra aber plant, Australier aus Wuhan auf die im Indischen Ozean gelegene Weihnachtsinsel zu fliegen und dort in einem Gefangenenlager unterzubringen. „Das sind Familien mit Müttern, Kindern, und sie kommen in ein Gefangenenlager hinter Gitter? Das ist nicht nett, wirklich nicht“, sagte Rui Severino dem „Guardian“. Der zurzeit in Wuhan wohnende Australier will das zweifelhafte Angebot seiner Regierung nicht annehmen, zumal er auch noch dafür bezahlen soll.

Dass allerdings eine gewisse Vorsicht im Umgang mit den Rückkehrern aus Wuhan geboten ist, zeigen die Testergebnisse des ersten Evakuierungsflugs nach Japan: Drei Passagiere waren vom Virus infiziert. (mit AFP)

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