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Bedrückt. Direkt an der Mauer in Jesus’ Geburtsstadt führen Christen das Krippenspiel auf. Foto: dpa

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Panorama: Drei Mal Weihnachten

Bethlehem ist eine melancholische Stadt geworden – hin- und hergerissen zwischen Besatzung, Kommerz und Stolz auf die Historie

„O du fröhliche“… Schön wär’s. „Welt lag in Banden“, hieß es in der Originalfassung des „Allerdreifeiertagslied“ weiter. Und tatsächlich ist Bethlehem zu einer melancholischen Stadt geworden in diesen Tagen, hin- und hergerissen zwischen dem Leiden unter der israelischen Besatzung und der schwindenden Hoffnung auf Ruhe und Frieden einerseits – und dem Stolz, Jesus Geburtsort zu sein und die Festtagsfreude auch noch mit guten Geschäften versüßen zu können andererseits. Bethlehem ist feierlich geschmückt und bevölkert von Touristen. Doch die Mauer am Stadtrand wirft dunkle Schatten auf das Leben der Einwohner der Kleinstadt südlich von Jerusalem.

„Wir sind hier alle enttäuscht, dass der Friedensprozess nicht gut verläuft“. Von Anfang an habe man von den Verhandlungen der Politiker wenig erwartet, doch nun „ist die kleine Hoffnung noch kleiner geworden“, klagt Bashir Kunkar, Sprecher des Caritas Baby Hospital ganz nahe der Mauer. Dabei hat er Grund zur Freude: Das Spital feierte in Anwesenheit von rund 200 ausländischen Spendern und Helfern gerade die Einweihung eines Erweiterungsbaus. Eine neue Station, ein moderneres Labor und das von 35 auf 45 Betten vergrößerte Mütter-Hospiz bringen Erleichterungen für die kleinen Patienten, ihre Eltern und das Personal. „Ein unglaublich guter und schöner Tag – er ließ unsere kleine Hoffnung auf bessere Zeiten für Bethlehem und das ganze Heilige Land aufflammen.“ Zur Gründung 1952 bildete die Weihnachtskollekte der Schweizer Katholiken die finanzielle Basis, heute kommen Spenden aus ganz Deutschland, der Schweiz, Österreich und Italien über den Trägerverein Kinderhilfe Bethlehem.

Optimistisch stimmen auch die Zahlen, die das israelische und das palästinensische Tourismusministerium liefern: So viele Pilger und Touristen wie nie zuvor kommen in die Stadt, alle Hotels sind ausgebucht. 1995, als die Israelis die Verantwortung für die Sicherheit an die Palästinenser übergaben, gab es fünf sehr einfache Herbergen, heute sind es mehr als 30 – und wer rechtzeitig bucht, kann auch in der Luxusklasse wohnen.

Auch die christlichen Hilfswerke, die Produkte wie Olivenholzschnitzereien aus Bethlehem in ganz Europa und Amerika verkaufen, schaffen und sichern Arbeitsplätze. Doch aller Stolz auf diese Erfolge und die Historie Bethlehems kann die Ab- und Auswanderung vor allem der Christen nicht aufhalten. Viele fliehen vor dem doppelten Druck der israelischen Besatzer und der muslimischen Mehrheit in der Stadt. Der beliebte Süßwarenladen beim Mangerplatz ist geschlossen – „Mein Papa ist in Südamerika auf der Suche nach einer neuen Existenz“, erzählt der Sohn des Besitzers.

Das „Christliche Dreieck“ – Bethlehem mit offiziell 22 000 Einwohnern, das angrenzenden Beit Jala (mit der Thalita- Kumi-Schule des Berliner Missionswerkes der evangelisch-lutherischen Kirche) und Beit Sahur (mit dem biblischen Schäferfeld) mit jeweils 12 000 Menschen – trägt den Namen längst zu Unrecht. Laut Bethlehemer Stadtverwaltung sollen noch 28 Prozent der Einwohner christlichen Glaubens sein, meist griechisch-orthodox. Andere Quellen zählen nur noch zehn Prozent Christen. In Südamerika stammen allein 70 000 christliche Palästinenser und ihre Nachfahren aus Beit Jala. In Chiles Hauptstadt Santiago leben 75 000 Christen aus dem Bezirk Bethlehem – wie der Süßwarenhändler vom Mangerplatz: „Er ist aus der Stadt Jesu in die nach dessen Jünger Jakob genannte Stadt ausgewandert“, erklärt der Geschäftsmann gegenüber, der sein Fenster mit grün glitzernden Girlanden schmückt.

Überall stehen rot gekleidete Weihnachtsmänner, silberfarbene Sterne und Feiertagsbeleuchtung hängt in den engen Gassen, der Schmuck des großen Weihnachtsbaums vor der Geburtskirche strahlt: Bethlehem ist bereit für Weihnachten. Der legendäre ehemalige Bürgermeister Elias Freij hatte vor Jahren beklagt: „Für 300 Tage im Jahr vergisst uns die Welt. Nur zu Weihnachten erinnert man sich, dass wir existieren.“

Wenigstens feiert die Stadt das Fest drei Mal: Am 24. Dezember den Heiligabend der westlichen Kirchen, am 6. Januar den der Orthodoxen und am 18. Januar feiern die Armenier.

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