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Ein Flugzeug von Egyptair.

© REUTERS

Egyptair Flug MS804: Was führte zum Absturz?

Einiges spricht dafür, dass es bei Flug MS804 einen Terroranschlag gab. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Absturz.

Für die vermissten Passagiere von Egyptair Flug MS804 gibt es offenbar keine Hoffnung mehr: Nach Angaben der griechischen Zivilluftfahrt stürzte das Flugzeug mit 66 Menschen an Bord in der Nacht zum Donnerstag rund 240 Kilometer vor der griechischen Insel Karpathos ins Mittelmeer. Der Grund für den Absturz war zwar zunächst unklar. Doch inzwischen mehren sich die Hinweise auf einen Anschlag.

Was weiß man über den Unfallhergang?

Laut des griechischen Luftfahrtministeriums verschwand Flug MS804 um 3.29 Uhr Ortszeit (2.29 Uhr MESZ) vom Radar. Zu dem Zeitpunkt hielt sich die Maschine bereits im ägyptischen Luftraum auf. Etwa 240 Kilometer vor Karpathos, zwischen Rhodos und Kreta, sei sie ins Meer gestürzt. Die letzte Kommunikation mit dem Piloten gab es drei Minuten vor dem Verschwinden des Flugzeugs. Kurz vor dem Absturz vollzog der Airbus A320 in kurzer Folge zwei heftige Drehungen und verlor dabei mehrere tausend Meter an Höhe.

Erst schwenkte die Maschine demnach um 90 Grad nach links, kurz darauf um 360 Grad nach rechts. Zugleich sei die Maschine von mehr als rund 11 000 Metern auf rund 4500 Meter abgesackt, hieß es. Als Flug MS804 vom Radarschirm verschwand, habe er sich in einer Höhe von etwa 3000 Metern befunden. Die abgestürzte Maschine war seit 2003 in Betrieb und hatte seitdem 48 000 Flugstunden absolviert.

Der Pilot verfügte laut Egyptair mehr als 6275 Stunden Flugerfahrung, davon 2101 in einem Airbus A320. Der Co-Pilot hatte 2766 Stunden Flugerfahrung. Die Maschine war auf dem Weg von Paris nach Kairo. An Bord waren außer der Besatzung und Sicherheitsoffizieren 56 Passagiere, darunter neben 30 Ägyptern auch 15 Franzosen sowie unter anderem Bürger aus Großbritannien, Kanada und dem Irak. Deutsche waren offenbar nicht an Bord.

Wo wird die Absturzstelle vermutet?

Gleich beim ersten Tageslicht starteten griechische Flugzeuge am Freitag in Kreta, um nach dem Wrack zu suchen. Sie vermuten es im Meer rund 200 Seemeilen südlich der Insel Karpathos und rund 100 Seemeilen vor der ägyptischen Küste. Auch eine griechische Fregatte nehme an der Aktion teil, berichtete das griechische Staatsradio.

Am Donnerstag hatten die ägyptischen Behörden immer wieder für Verwirrung gesorgt, als sie meldeten, Wrackteile seien gefunden worden. Dies dementierten Kreise des griechischen Verteidigungsministeriums. Für die Suchmannschaften ergibt sich ein zusätzliches Problem: Eine Schlechtwetterfront mit starken Regenfällen zieht von Westen her ins östliche Mittelmeer. Starke Winde und dichte Wolkenbänder werden erwartet.

Was spricht für, was gegen einen Anschlag?

Noch ist es nicht sicher, aber offenbar hat die Crew vor dem Verschwinden der Maschine keinen Notruf abgesetzt. Selbst bei einem Ausfall beider Triebwerke kann ein Verkehrsflugzeug noch viele Kilometer im Gleitflug zurücklegen. In diesem Fall hätte die Crew zumindest eine Notwasserung versucht. Experten befürchten daher einen plötzlichen Zwischenfall an Bord. „Ein technisches Problem wie ein Brand oder eine Motorenpanne führt normalerweise nicht sofort zu einem Unfall“, sagte der Luftfahrtexperte Jean-Paul Troadec der Nachrichtenagentur AFP.

In solchen Fällen hätte die Besatzung Zeit gehabt, zu reagieren und Notsignale zu geben. Weil das nicht geschah, könne „von einem Attentat ausgegangen“ werden. Auch nach Einschätzung des ägyptischen Luftfahrtministers Scherif Fathyist ist der Absturz eher durch einen Anschlag als durch einen technischen Defekt verursacht worden. Er wolle nicht spekulieren, doch sei bei einer genauen Analyse des Vorfalls die Wahrscheinlichkeit eines „Terrorangriffs“ höher als die eines technischen Versagens. Der Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB geht ebenfalls von einem Anschlag aus. „Allem Anschein nach ist es ein Terrorakt“, sagte Alexander Bortnikow nach Angaben der Agentur Interfax.

Das US-Verteidigungsministerium sieht derzeit hingegen keine Hinweise auf eine Explosion an Bord des Flugzeuges. Es gebe zu diesem Zeitpunkt keine Erkenntnisse, die darauf hindeuteten, sagte eine Vertreterin des Pentagons auf Anfrage. Es sei aber noch zu früh, um eine Ursache für den Absturz auszuschließen, fügte sie hinzu.

Trauer und Verzweiflung. Angehörige von Passagieren des Flugs MS804 warten am Flughafen in Kairo auf Informationen.
Trauer und Verzweiflung. Angehörige von Passagieren des Flugs MS804 warten am Flughafen in Kairo auf Informationen.

© REUTERS

Gab es ähnliche Vorfälle?

In den vergangenen Monaten gab es im Zusammenhang mit Ägypten mehrere Vorfälle im Luftverkehr. Ende März hatte ein Mann mit der Attrappe eines Sprengstoffgürtels eine Egyptair-Maschine nach Zypern entführt. Die Tat hatte aber keinen terroristischen Hintergrund. Der als psychisch labil geltende Ägypter wollte seine Ex-Frau wiedersehen. Ende Oktober war ein russischer Ferienflieger über der Sinai-Halbinsel abgestürzt, nachdem an Bord eine Bombe explodiert war. Zu der Tat bekannte sich der IS.

Den letzten Anschlag auf ein Flugzeug, das von europäischem Boden aus gestartet war, liegt 28 Jahre zurück. Im Dezember 1988 explodierte an Bord einer Boeing 747 der US-amerikanischen Fluglinie Pan-Am auf dem Weg von London nach New York eine Bombe über dem schottischen Ort Lockerbie. Alle 259 Insassen der Maschine und elf Anwohner kamen ums Leben.

Wie sicher ist die Fluglinie Egyptair?

Egyptair ist in der Vergangenheit immer wieder einmal wegen vermeintlicher Sicherheitsmängel in die Schlagzeilen geraten. In den zurückliegenden 40 Jahren gab es acht schwere Zwischenfälle. 1976 krachte eine Boeing 707 zwei Kilometer vor der Landebahn in Bangkok in eine Fabrik, 52 Insassen und 19 Fabrikarbeiter starben. 1985 kamen 60 Menschen ums Leben als der Versuch der Befreiung einer nach Malta entführten Boeing 737 durch ägyptische Truppen in einem Inferno endete bei dem der Jet in Flammen aufging. Die fünf Besatzungsmitglieder starben als ein Airbus A300 1987 in Luxor über die Landebahn hinausschoss.

1999 stürzte eine Boeing 767 mit 217 Personen an Bord auf dem Flug von New York nach Kairo vor der US-Küste ins Meer. Die US-Behörden gehen davon aus, dass sie von einem Co-Piloten mutwillig zum Absturz gebracht wurde so wie im vergangenen Jahr der Germanwings-Flug 9525. 2002 wurden bei der Bruchlandung einer Boeing 737 in Tunis  14 Personen getötet. 2009 setzte ein Sudanese einer Stewardess ein Messer an die Kehle und verlangte nach Jerusalem geflogen zu werden, zwei Sky-Marshalls konnten ihn überwältigen.

2011 ging in Kairo nach einem Kabeldefekt eine startbereite Boeing 777 in Flammen auf,  Passagiere und Besatzung konnten sich in letzter Minute in Sicherheit bringen. Und erst im März dieses Jahres wurde ein Airbus A320 von einem Mann, der behauptete einen Sprenggürtel zu tragen, auf dem Flug von Alexandria nach Kairo entführt. Nach der Landung auf Zypern konnte der tatsächlich nur mit einer Attrappe ausgestattete Täter überwältigt werden.

Als Egyptair 2008 dem von Lufthansa dominierten Airline-Bündnis Star Alliance beitrat hieß es, alles werde besser. Doch nachdem zwischen Januar 2008 und Juli 2009 laut Air Safety Network bei 75 Inspektionen auf europäischen Flughäfen nicht weniger als 240 sicherheitskritische Mängel festgestellt wurden, forderten die EU-Behörden korrigierende Sofortmaßnahmen ein und sahen sich im März 2010 genötigt, nochmals regelmäßige Berichte über deren Umsetzung einzufordern. „Egyptair steht nicht für hohe Sicherheit“, sagte US-Luftfahrtexperte Ross Aimer im Interview mit dem TV- Sender ntv. In dem jüngsten Ranking des Jet Airliner Crash Data Evaluation Centre (JACDEC), in dem die 60 größten und sichersten Fluggesellschaften verzeichnet sind, taucht Egyptair nicht mehr auf.

Wie groß ist die Terrorgefahr in Ägypten?

Ägyptens Führung sieht sich schon seit Jahren in einen Krieg gegen den islamistischen Terror. Immer wieder kommt es zu Anschlägen auf staatliche Einrichtungen, vor allem auf Sicherheitskräfte und Soldaten, aber auch auf hochrangige Vertreter der Regierung. Das Regime führt deshalb einen regelrechten Feldzug gegen Extremisten. Als gefährlichste DschihadistenGruppe gilt ein Ableger des „Islamischen Staats“. Er nennt sich „Provinz Sinai“ des IS und hat dessen Chef Abu Bakr al Baghdadi 2014 die Treue geschworen. Ihrem ursprünglichen Namen entsprechend – „Unterstützer des Heiligen Hauses“ (gemeint ist Jerusalem) – griff die 2011 gegründete Organisation zunächst israelische Ziele an, zum Beispiel Gasleitungen.

Einige Male soll der jüdische Staat auch mit Raketen attackiert worden sein. Nachdem aber das Militär 2013 den gewählten Präsidenten Mursi gestürzt hatte, konzentrierten sich die Extremisten auf ägyptische Ziele, zumeist Repräsentanten der verhassten Staatsmacht. Doch Touristen geraten ebenfalls immer wieder ins Visier der „Provinz-Sinai-Terroristen“. Die „Gotteskrieger“ brüsteten sich auch damit, für den Absturz der russischen Passagiermaschine und damit den Tod von 224 Menschen verantwortlich zu sein. In einer Audiobotschaft behaupteten die Fanatiker, sie hätten das Flugzeug „heruntergeholt“.

Einen Beweis dafür gibt es allerdings nicht. Verschiedene Experten gehen davon aus, dass eine an Bord geschmuggelte Bombe den Airbus in der Luft zerstörte. (mit dpa)

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