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Ein Ende der Krankheitswelle ist noch nicht absehbar.

© dpa

EHEC: Alles auf Anfang bei der Suche nach dem Erreger

Kurz währte die Hoffnung, der Höhepunkt der Epidemie sei überschritten. Doch spanische Gurken waren offenbar nicht Ursache der EHEC-Infektionen. Was bedeutet das für die Suche nach dem Erreger?

Am Dienstag kamen von der Hamburger Gesundheits- und Verbraucherbehörde ernüchternde Mitteilungen: Bei der Suche nach der Quelle der lebensbedrohlichen Durchfallerkrankungen beginnt man praktisch wieder von vorn – und bei den Fallzahlen gibt es keine Entwarnung.

Wie konnte es passieren, dass spanische Salatgurken vorschnell als Krankheitsverursacher identifiziert wurden?

Als die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks am vergangenen Donnerstag vor die Presse trat, verkündete sie einen „großen Erfolg“. Das Institut für Hygiene und Umwelt (HU) hatte den EHEC-Erreger auf spanischen Biogurken nachgewiesen. Aber die vermeintliche Spur war möglicherweise doch nur eine falsche Fährte. Denn weitere Untersuchungen haben nun gezeigt, dass zumindest auf zwei der vier Gurken ein anderer EHEC-Stamm gefunden wurde als der aus Patienten isolierte Typ O104. Das Institut hatte vergangene Woche nur nachgewiesen, dass die Gurken mit EHEC-Erregern verseucht waren. Dafür wird unter anderem das Gift des Bakteriums und das Gen für dieses Gift nachgewiesen. Um welchen Bakterienstamm es sich genau handelt, konnten die Forscher da noch nicht sagen.

Die beiden untersuchten Proben stammen von Gurken eines Bioproduzenten aus Malaga. Zwei weitere Gurken, auf denen die Forscher ebenfalls EHEC nachgewiesen hatten, werden zurzeit in Labors in Berlin und Rom untersucht. In Berlin wollte Lothar Beutin, Leiter des Referenzlabors für EHEC am Bundesinstitut für Risikobewertung, möglichst noch im Laufe des Dienstagabend ein Ergebnis präsentieren. Sinje Köpke, Sprecherin des HU in Hamburg, sagte, die Handelswege würden weiter zurückverfolgt. Der nachgewiesene Keim sei zwar nicht Ursache der EHEC-Welle, aber trotzdem eine Gesundheitsgefahr. Die Warnung vor dem Verzehr von rohen Tomaten, Blattsalat und Salatgurken gelte deshalb weiter.

Warum hat der Nachweis so lang gedauert?

Um den Serotyp eines EHEC-Stammes zu bestimmten, müssen die Bakterien zunächst auf dem Nährboden einer Petrischale vermehrt werden. Weil sich in der Schale auch andere Bakterien befinden können, müssen die Forscher dann einzelne Bakterienkolonien testen, um eine sichere EHEC-Kolonie zu identifizieren. Diese wird dann erneut in einer frischen Petrischale angezüchtet. Dann können die Bakterien gewissermaßen geerntet werden und über Nacht mit Antikörpern zusammengebracht werden, die zum Beispiel den Serotyp O104 erkennen. Handelt es sich um diesen Serotypen, ist am nächsten Morgen eine Verklumpung der Bakterien zu erkennen. Der ganze Vorgang ist also sehr aufwändig und kann Tage dauern. Tatsächlich wissen die HU-Forscher im Moment auch nur, dass es sich bei dem Erreger auf den Gurken nicht um den Serotyp O104 handelt, aber noch nicht konkret, um welchen.

Ein neuer Schnelltest, den Helge Karch und seine Kollegen am Konsiliarlabor des Instituts für Hygiene des Uniklinikums Münster in den letzten Tagen entwickelt haben, soll jetzt Abhilfe schaffen. „Mit dem Schnelltestverfahren können wir den Ausbruchsstamm sicher identifizieren“, sagte Karch am Dienstag in Münster. Das Testergebnis sei sehr sicher und liege innerhalb von Stunden vor. Mit dem Verfahren könnten nicht nur Proben von Menschen untersucht werden, sondern auch von Lebensmitteln, sagte er. Der EHEC-Stamm, der die aktuelle Erkrankungswelle ausgelöst hat, ist nach Angaben von Karch vor zehn Jahren schon einmal in Deutschland aufgetaucht. HUSEC041 sei damals bei einem Geschwisterpaar in Köln nachgewiesen worden. Er habe seither in Mutationen seine Resistenz gegen Antibiotika ausgebaut und sei nun auch zwei bis dreimal toxischer.

Wie wahrscheinlich ist die Übertragung von Mensch zu Mensch?

Weil schon wenige EHEC-Bakterien für eine Infektion genügen, spielt die direkte Übertragung von Mensch zu Mensch durch Schmierinfektion eine größere Rolle. So können EHEC-Bakterien, die mit dem Stuhl ausgeschieden werden und sich bei mangelhafter Hygiene auf Händen oder Gegenständen wie Spielzeug oder Handtüchern befinden können, bei gemeinsam genutzten Toilettenräumen oder bei der Pflege von Kranken übertragen werden. „Grundsätzlich ist eine Infektionsmöglichkeit auch im Schwimmbad und beim Küssen gegeben“, sagte Miriam Ewald, Sprecherin des Bundesamtes für Risikobewertung. Wie bedeutsam diese Ansteckungswege sind, lasse sich aber nicht sagen. Die Hauptinfektionsquelle seien Lebensmittel.

Wie wird die Nachricht aus Hamburg in Spanien aufgenommen?

Es bleibt abzuwarten, ob sich die katastrophale Lage für die spanischen Gemüseproduzenten nach der verhalten positiven Nachricht vom Dienstag aus Hamburg verbessert. Spaniens Agrarministerin Rosa Aguilar bezifferte den momentanen wirtschaftlichen Schaden für die spanische Landwirtschaft, dem größten Gurkenproduzenten Europas, auf wöchentlich 200 Millionen Euro. Die Regierung in Madrid wolle auf EU-Ebene Entschädigungen für alle europäischen Landwirte verlangen, die wegen der Ehec-Angst hohe Verluste haben. Clara Aguilera, die Landwirtschaftsministerin der südspanischen Agrarregion Andalusien, aus der die EHEC-belasteten Gurken kamen, führt die vorderste Verteidigungsfront der spanischen Bauernlobby an, nennt Deutschlands Warnung vor spanischen Salatgurken „unverantwortlich“, „empörend“ und „illegal“. Die Ergebnisse der Proben, die Ende vergangener Woche aus Boden, Wasser, Dünger, Pflanzen und natürlich den Gurken genommen wurden, liegen bislang noch nicht vor.

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