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Panorama: Ein kleines, großes Risiko

Eine Tollwutansteckung durch Transplantation kann sich wieder ereignen. Aber die Gefahr ist gering

Organspender werden auf eine ganze Reihe von Krankheitserregern getestet. Allerdings nicht auf Tollwut, denn diese Krankheit ist in Deutschland extrem selten. In den vergangenen Jahren gab es nur wenige Fälle. „Ich habe in meinem Leben noch keinen Tollwutpatienten gesehen“, sagt Peter Neuhaus, Chefarzt an der Berliner Charité und einer der erfahrensten deutschen Transplantationsmediziner.

Ob der Fall der Tollwut-Übertragung durch eine Mainzer Organspenderin vermeidbar gewesen wäre, lasse sich im Nachhinein schlecht beurteilen, sagt Neuhaus weiter, obwohl die Begleitumstände Anlass zum Misstrauen hätten sein können. Auch in Zukunft sei es denkbar, dass ein anderer seltener Keim seinen Weg in ein Spenderorgan findet. „Es ist nicht alles vorherzusehen“, sagt Neuhaus. Eine absolute Sicherheit gibt es nicht und wird es auch in Zukunft nicht geben.

Im Zweifelsfall können aber Krankheitszeichen beim möglichen Organspender die Ärzte auf die richtige Spur führen oder sie zumindest von der Organentnahme abhalten. Neuhaus erinnert sich an einen Fall vor rund zehn Jahren, als bei einem potenziellen Organspender aus Indien eine Infektion mit einem Hepatitis-E-Virus festgestellt wurde.

Viel häufiger und bedeutsamer als solche „Exoten“ unter den Mikroben sind hierzulande andere Viren, auf die stets getestet wird: Hepatitis B und C, Zytomegalie, Herpes, das Aids-Virus HIV und zwei Viren, die mit Tumoren in Verbindung gebracht werden, das Epstein- Barr-Virus und HTLV.

Ein Problem sind auch Infektionen durch Pilze. Mögliche Organspender, die auf einer Intensivstation behandelt wurden, haben vor ihrem Tod nicht selten noch eine schwer behandelbare Pilzinfektion bekommen.

Weniger bedeutsam sind dagegen Bakterien, weil diese meist gut zu behandeln sind. Nicht verpflanzt werden allerdings Organe von Menschen, die an einer schweren bakteriellen Infektion, einer Sepsis („Blutvergiftung“) gestorben sind.

Denkbar ist, dass ein Organspender sich kurz vor seinem Tod mit einem Erreger infiziert hat. Dann sind die „Fußspuren“ des Krankheitskeims noch nicht im Blut nachweisbar. Das ist ein Grund dafür, dass „Risikospender“ – Homosexuelle, Drogenabhängige, Obdachlose – nur nach gründlicher Prüfung in Betracht gezogen werden, wie Neuhaus sagt.

Aber die Qualität der Spenderorgane ist über die Jahre schlechter, der Mangel größer geworden. Wenngleich das makaber klingt, so liegt doch tatsächlich der Grund darin, dass die Zahl der Verkehrstoten drastisch sinkt. Deshalb werden immer mehr Organe eingesetzt, die als „eingeschränkt vermittelbar“ gelten. Sie stammen von älteren Patienten (jenseits der 60), von Tumorkranken oder sind selbst bereits geschädigt, beispielsweise von Viren befallen.

Virusinfektionen sprechen nicht immer gegen eine Transplantation. So kann ein Patient, dessen Leber durch ein Hepatitis-Virus zerstört wurde, durch die Leber eines Spenders gerettet werden, der den gleichen Erreger in sich trug. „Wenn es um Leben und Tod geht, gibt es manchmal keine andere Wahl“, sagt Neuhaus. „Die total gesunden Spenderorgane haben wir nicht mehr.“

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