zum Hauptinhalt

Panorama: Ein Netz aus wirren Gerüchten

Als vor gut 40 Jahren der deutsche Frachtsegler "Pamir" im Hurrikan bei den Azoren verloren ging, war die Trauer groß.Immerhin aber war das Unglück begreifbar.

Als vor gut 40 Jahren der deutsche Frachtsegler "Pamir" im Hurrikan bei den Azoren verloren ging, war die Trauer groß.Immerhin aber war das Unglück begreifbar.Ein Segler, der in der tosenden See im Nordatlantik scheitert, mit derartigen Schicksalsschlägen leben die Menschen an der Küste seit Jahrhunderten.Als heute vor 20 Jahren die "München", ein moderner Spezialfrachter, im selben Gebiet sank und 28 Personen starben, mischte sich die Trauer mit Unglauben und Ratlosigkeit.Bis heute ist das Verschwinden des Riesenschiffes, das mit 261 Metern nur neun Meter kürzer war als die Titanic, nicht geklärt - und es wird nie geklärt werden.

Klar ist, daß vor 20 Jahren ein Orkantief die See rund um die Inselgruppe der Azoren in eine tobende Wassermasse verwandelte und das Unglück auslöste.Übrig blieben von der München vier Rettungsinseln, eine Notfunkboje, zwei Rettungsringe.Von der Ladung blieben drei sogenannte Leichter - riesige, schwimmende, fast 800 Kubikmeter messende Stahlkisten.Mehr als zwei Monate später entdeckte der Bremer Tanker "Delta Gas" das Rettungsboot des Hapag-LLoyd-Frachters.Es schwamm zerschlagen - und leer - im Wasser.

Und dieses Boot bietet im Wirrwarr der mutwilligen Gerüchte und hilflosen Erklärungsversuchen, die seitdem den Untergang umranken, den einzigen Ansatz einer ernstzunehmenden Deutung: Das Boot war nie zu Wasser gelassen worden, es wurde aus den Davits, den Halterungen, gerissen - rund 30 Meter über dem Wasser.Daraus lassen sich zwei Schlüsse ziehen: Die Besatzung hat nicht versucht, in die Boote zu gehen, das Unglück kam also schnell.Nur eine gigantische Welle, Seeleute nennen sie "Kaventsmann", kann das Boot in einer derartigen Höhe zu Kleinholz schlagen.Möglich ist aber auch, daß zum Beispiel der gewaltige Portalkran des Schiffes aus seiner Verankerung gerissen wurde, und das Schiff so schwere Schlagseite bekam.

Die 1972 gebaute München war das erste Schiff eines neuen Typs in Deutschland."Lashcarrier" sagen Fachleute dazu: Ein Portalkran setzte die Leichter aus dem Wasser an Deck, das "Lash" steht für "Lighter aboard ship".Mit diesem System ging das Laden und Löschen sehr schnell.Das Schwesterschiff der München, die holländische "Bilderdyk", fuhr noch bis vor einigen Jahren.

61 Reisen absolvierte auch die 44 000 Tonnen tragende München mit Bravour.Am 7.Dezember war sie dann in Bremerhaven ausgelaufen, Kurs Savannah in den Staaten.Nicht einmal ein klares SOS blieb von dieser 62.Fahrt.Sieben Minuten nach Mitternacht hatte der Funker noch mit seinem Kollegen auf dem Frachter "Caribe" geplaudert, und dabei beiläufig erwähnt, daß in schwerer See einige Bullaugen zerschlagen worden und die Brücke beschädigt sei.Besonders beunruhigt hätte er aber nicht geklungen, sagte der Funker später.

Drei Stunden später empfing ein griechisches Schiff ein SOS - verstümmelt, gegen die Funkregeln und mit einer falschen Positionsangabe.Wieso nur ? Dem Kollegen auf der "Caribe" hatte der Funker noch die exakte Position mitgeteilt, doch dieser verschwieg sein Wissen über Tage.Das Drama spielte sich so 100 Seemeilen (180 Kilometer) entfernt ab, die Dutzende Schiffe und 13 Flugzeuge konnten also nichts finden.

Erst am 22.Dezember geben die Retter bei Sonnenuntergang auf.Das Seeamt in Hamburg, eine Art Gericht für Unfälle auf See, stellt später in dürren Worten und wenigen Zeilen fest, daß das Schiff am 13.Dezember gegen elf Uhr sank.Um diese Zeit sendete die Seenotfunkboje ein erstes Mal; sie beginnt damit automatisch, sobald sie mit Seewasser in Berührung kommt.Da sie auf dem obersten Deck montiert ist, heißt dies: beim Sinken oder Kentern."Langsames Sinken nach schwerem Seeschlag", vermutet das Seeamt.Die Wellenhöhe schätzten die Experten auf bis zu 30 Meter.

JÖRN HASSELMANN

Zur Startseite