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Panorama: Ein Schüler-Traum

WITTENBERG .Die Idee hatten die Schüler.

WITTENBERG .Die Idee hatten die Schüler.Schulleiter Michael Sandau kennt den Anfang der Geschichte nur vom Hörensagen, damals war er noch nicht Schulleiter des Martin-Luther-Gymnasiums in Wittenberg.Der triste Plattenbau "Erfurt II" hätte sowieso renoviert werden müssen, sagt Sandau."Und die Kunstlehrer fragten die Schüler, wie sie sich ihre ideale Bildungsanstalt vorstellen." Die Antworten der Schüler waren schon damals leicht zusammenzufassen: bunt, nicht so trist und eckig, und vor allem von viel Grün umgeben."Hundertwasser" - welcher Schüler das Wort zuerst in die Diskussion warf, weiß heute keiner mehr.Aber aus der Idee ist inzwischen Wirklichkeit geworden.Heute wird die nach Plänen des Wiener Künstlers Friedensreich Hundertwasser umgestaltete Schule von den Schüler und ihren Lehrern offiziell und feierlich übergeben.

"Die Schüler ergriffen damals die Initiative", erzählt Sandau."Sie steckten ihre Vorschläge, Skizzen und Entwürfe zur Umgestaltung des Schulgebäudes in einen Umschlag und schickten ihn nach Wien." Der Brief kam an, in doppelter Hinsicht.Hundertwasser war von der Idee der Schüler so begeistert, daß er sich nicht nur spontan bereiterklärte, an der Umgestaltung der Schule mitzuwirken, sondern auch noch ohne jegliches Honorar.Er lieferte Pläne und Modell, die Umsetzung übernahm der Architekt, mit dem der als verschroben geltende Wiener Künstler seit Jahren zusammenarbeitet.

"Aber so verschroben, wie er sich gerne gibt, ist er gar nicht", stellt Sandau im nachhinein fest."Er denkt viel über die Probleme der Welt und der Menschheit und deren Lösung nach." Eine Schule ohne Ecken und Kanten fand der Wiener Künstler sehr viel menschlicher als das triste Relikt der DDR-Architektur.Dennoch ließ er in seinem Entwurf eine Ecke in funktionaler Plattenbauweise stehen.Offenbar als Mahnung an nachfolgende Architektengenerationen.Die menschliche Schule nach einem Entwurf Hundertwassers begeisterte aber nicht nur die Schüler des Martin-Luther-Gymnasiums, sondern auch das Expo-Kuratorium von Sachsen-Anhalt.Die Region zwischen Wittenberg, Dessau und Bitterfeld ist Korrespondenzregion der Weltausstellung Expo 2000 in Hannover.Und in deren Motto "Mensch-Natur-Technik" paßt die Hundertwasser-Schule, wie sie im Wittenberger Volksmund längst heißt, haargenau hinein."Wie für alle Expo-Projekte in der Korrespondenzregion sind auch für die Hundertwasserschule keine zusätzlichen Landesmittel geflossen", sagt deren Chef, Gerhard Seltmann.Für eine normale Sanierung der Wittenberger Plattenbau-Schule wären rund sechs Millionen Mark erforderlich gewesen, und mehr stellte das Land auch nicht zur Verfügumng."Für den Umbau zur Hundertwasser-Schule hätte das aber bei weitem nicht ausgereicht", sagt Seltmann.So gründete Schulleiter Sandau gemeinsam mit Eltern der Martin-Luther-Schüler einen Förderverein.Zusätzlich vier Millionen mußten in die Wittenberger Schulbaukasse fließen."Da wurde fast hundertwassersche Kreativität frei", sagt Seltmann, der als Expo-Chef Sachsen-Anhalts mächtig stolz ist, das erste fertige Exponat vorzeigen zu können.

Aber die eifrigen Spendensammler von Wittenberg hatten auch Unterstützung von allerhöchster Stelle.Zum tradionellen Weihnachtsessen der hanseatischen Wertpapierbörse in Hamburg war 1995 Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reinhard Höppner als prominenter Gast geladen.Die Börsianer und ihre Gäste lassen sich die Teilnahme an dem exklusiven kulinarischen Ereignis eine hübsche Stange Geld kosten.Der Erlös kommt einem guten Zweck zugute, den der prominente Ehrengast bestimmen darf.Auf Empfehlung Höppners hin gingen die Einnahmen des Weihnachtsessens 1995, über deren Höhe die hanseatischen Börsianer bis heute diskretes Stillschweigen bewahren, an den Förderverein Hundertwasser-Schule.Und so an ein Expo-Projekt, das auch nach Ende der Weltausstellung bleiben wird.

Ein Unikat für Sachsen-Anhalt soll es dagegen nicht bleiben.Eine Wohnungsbaugenossenschaft in Magdeburg hat einen Plattenbau in unmittelbarer Nähe des Magdeburger Doms bereits dem Erdboden gleichgemacht, um auch hier ein Wohn- und Geschäftshaus nach Bauplänen Friedensreich Hundertwassers zu errichten.

EBERHARD LÖBLICH

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