zum Hauptinhalt
Kein Mann konnte es mit ihr aufnehmen. Jane Russell in „The Outlaw“ (1943). „Der Busen von Jane Russell hängt über dem Film wie eine Gewitterwolke über der Landschaft“, wetterte die Zensur. Der Film blieb drei Jahre lang verboten. Foto: Reuters

© REUTERS

Panorama: Eine Frau wie Dynamit

Männer, Moral und Moneten: Jane Russell, Sexgöttin von Hollywood, ist tot

„Als ich sie das erste Mal sah, schlenderte sie mit einer Freundin am Strand von Santa Monica entlang. Für einen berühmten Glamour-Star wirkte sie ziemlich zerzaust, aber sie kam ja auch gerade von einem Football-Spiel mit ihren Brüdern.“ So beschreibt Robert Mitchum seinen ersten Eindruck von Jane Russell, den sie später immer wieder bestätigen sollte: „schön, und völlig unaffektiert.“ Nicht weltentrückt, sondern ausgesprochen irdisch kommt sie daher, resolut, zielstrebig, tough. Als Calamity Jane schießt und reitet sie in voller Westernmontur („Sein Engel mit den zwei Pistolen“, 1948) und teilt sich das Terrain mit Bob Hope, als Belle Star nimmt sie es mit den berüchtigten Daltons auf, und es geht ihr dabei ums Geschäft, nicht um Gefühle („Die Schönste von Montana“, 1948/52). Auch als attraktive Barsängerin ist sie nicht die mysteriöse Femme fatale, weniger „Ein Satansweib“(1951), so der deutsche Titel, als „His Kind of Woman“, die erotische Komplizin, die zu Robert Mitchum passt. Oder Kriegerin und Kämpferin wie in „Macao“ (1951). Als ihr Lieblingsparfüm macht ihr Partner eine Essenz aus, die bevorzugt Athleten gegen Muskelkater verwenden.

Der Anfang ist freilich ganz anders. Eine Legende. Die Farmerstochter aus Minnesota, die sich als Gelegenheits-Fotomodell und als Zahnarzthelferin durchschlägt, gerät in den Blick des exzentrischen Milliardärs Howard Hughes. Er engagiert sie für die Geschichte der beiden Revolverhelden Billy the Kid und Doc Holliday, die sich um ein Pferd und ein Mädchen streiten. Hughes feuert nach wenigen Tagen den Regisseur Howard Hawks und übernimmt alles selbst: die Regie, die Konstruktion eines Spezial-Büstenhalters und vor allem die Werbekampagne für seine „Busengöttin“. Für André Bazin ist sie später ein virtueller Star, der als „Kaugummi für die Imagination“ funktioniert, die Plakate stellen die anzügliche Frage in den Raum: „Welches sind die beiden Hauptgründe für Jane Russells Ruhm?“ Die Zensur donnert ihr Verdikt gegen das Werk: „Der Busen von Jane Russell hängt über dem Film wie eine Gewitterwolke über der Landschaft“, die katholische Kirche droht Besuchern mit Exkommunikation. Im Koreakrieg tauft ein amerikanischer Stoßtrupp einen eroberten Doppelhügel in „Russell Hill“ um, GIs schmücken die Spinde mit ihren Pin-up-Fotos, lange bevor der Film endlich zu sehen ist: „The Outlaw“ („Geächtet“, 1940/43). Als Mädchen Rio wälzt sie sich darin eine kurze Szene lang mit Billy the Kid im Heu, aber die Werbefotos mit dekolletierter Bluse und der Überschrift: „Tall ... Terrific ... and Trouble!“ wurden im Fotostudio nachgestellt. Im Film trägt sie einen Pullover.

Es gehört schon einiges dazu, gegen ein solches Image der verruchten Sex-Göttin anzuspielen. In ihren düsteren Kriminalfilmen verbindet sie ihre offensichtlichen Waffen einer Frau mit herb männlichen Charakterzügen, und in ihren Komödien ironisiert sie diesen Typ wieder. Ihren Witz bekommt Frank Sinatra in „Doppeltes Dynamit“ (1951) ebenso zu spüren wie Clark Gable in „Drei Rivalen“ oder Cornel Wilde in „Feuer im Blut“ (1955). Und Howard Hawks hat sie nach dem abrupten Ende ihrer kurzen Zusammenarbeit in „The Outlaw“ nicht vergessen: Mehr als zehn Jahre später dreht er mit Jane Russell und Marilyn Monroe „Blondinen bevorzugt“. Die Diva und das Starlet, „Two Little Girls from Little Rock“, und wie sie sich Männer, Moral und Moneten bei ihrem unaufhaltsamen Aufstieg zunutze machen. Marilyn preist des kapitalistische Motto „Diamonds are a girl’s best friend“, Jane singt „Ain’t there anyone here for love?“ und richtet sich damit an die ganze US-Olympia-Männermannschaft. Aber von denen ist niemand bereit für die Liebe, keiner kann es mit ihr aufnehmen.

Im Sündenpfuhl Hollywoods konvertierte Russell zu einer Vorkämpferin der Republikaner. 2009 sagte sie in einem Interview scherzhaft, man könne sie durchaus beschreiben als „bösartige rechtsgerichtete konservative christliche Eiferin“.

!991 besuchte sie Berlin, die Berlinale widmete ihr damals eine Retrospektive.

Ernestine Jane Geraldine Russell starb kurz vor ihrem 90. Geburtstag im kalifornischen Santa Maria.

Helmut Merker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false