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Die ersten Sonnenstrahlen erleuchten am 29.10.2016 das Rathaus, die Elbphilharmonie und die Alsterfontäne in Hamburg.

© Daniel Reinhardt/dpa

Elbphilharmonie: So etwas ist noch nie gebaut worden - Flughäfen gibt es überall

Die Baukosten sind um 1000 Prozent explodiert - aber zum Wahrzeichen für Deutschland machen die Elbphilharmonie der kühne Bau und die Achtung von Kultur. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Peter von Becker

Die Kultur ist ein Hafen. Von hier gehen Gedanken und Fantasien hinaus in die Welt, hier strömen Ideen, Werke und Wissen auch von weither hinein ins Eigene. Das Feste und das Fluide verbinden sich, die schützende Sicherheit und der Aufbruch ins Ungewisse treffen am Ort des Hafens, treffen im Sinn der Kultur aufeinander.

Hamburg, Deutschlands zweitgrößte Stadt, hat nicht nur einen Hafen zur Welt. Die Hansestadt besitzt jetzt auch ein architektonisches Stück Weltkultur. Die nach fast zehn Jahren Bauzeit und einer Kostenexplosion um 1000 Prozent endlich fertiggestellte und bereits vor ihrer musikalischen Einweihung für das Publikum geöffnete Elbphilharmonie setzt ein Signal. Der auf knapp 900 Millionen Euro gestiegenen Bausumme haftet zwar weiter etwas von ursprünglicher Blauäugigkeit, von Illusion und Täuschung an.

Aber das Ergebnis ist keine Enttäuschung, im Gegenteil. Die Verbindung aus altem Hafenspeicher und der darauf wie eine Mischung aus Segel und Schiffsbug gesetzten, Stadt und Wasserlandschaft gläsern spiegelnden und zugleich neu beleuchtenden Krone ist kühn. Ein Wahrzeichen nicht allein für Hamburg, auch eines für Kultur in Deutschland.

Ein Wahrzeichen für Deutschland

Etwas wie die Elbphilharmonie ist in dieser Art noch nicht gebaut worden. Darin liegt schon ein Unterschied zum irgendwann vielleicht doch noch vollendeten neuen Berliner Flughafen. Ähnliche Flughäfen, gerade mittelgroß und frei von ästhetischer Besonderheit, werden weltweit überall gebaut und rechtzeitig fertiggestellt, für weit weniger Geld. Darum hinkt der lange Zeit so beliebte Vergleich zwischen beiden Projekten. Und es bedarf nur wenig Fantasie, sich jetzt vorzustellen, wie den Hamburger Steuerzahlern der alte Frust bald zu neuem Stolz werden wird und die teure Attraktion sich als Investition sogar rechnet.

In Berlin bauen die Architekten bald die die Kunsthalle am Kulturforum

Die Schweizer Architekten der Elbphilharmonie, Herzog & de Meuron, sind dieselben wie für die künftige Kunsthalle am Berliner Kulturforum. Auch dort wollen sie einen Hybrid bauen, aus Backstein und Glas. Freilich flach und im ersten Anschein mehr sonderbar als wunderbar. Hoffentlich nicht zu flach.

So soll das geplante Museum der Moderne am Berliner Kulturforum aussehen: Passage und Museum aus Glas und Backstein.
So soll das geplante Museum der Moderne am Berliner Kulturforum aussehen: Passage und Museum aus Glas und Backstein.

© Herzog & de Meuron Basel Ltd. mit Vogt Landschaftsarchitekten AG, Zürich / Berlin

Denn über der Architektur der Hauptstadt lastet seit der Wende mit allen Chancen zu neuer Urbanität etwas Bedrückendes. Nicht nur der große Renzo Piano hat ausgerechnet hier, am Potsdamer Platz, eines seiner klotzig missglücktesten Werke hinterlassen. Größenwahn und Kleinmut liegen in Berlin oft zu nah beieinander.

Nicht aus Protzsucht, eher aus Sehnsucht und zur Selbstbestärkung bedarf es manchmal der tollen oder gar tollkühnen Zeichen. Das gilt, ob es einst Brunelleschis Kuppel des Doms von Florenz war oder Frank Gehrys elektrisierendes Guggenheim Museum in Bilbao: in einer bis dahin sterbenden Hafenstadt. Teurer als zuerst gedacht wurde es jedes Mal. Aber Kultur ist unschätzbar. Gerade in Zeiten politischer und sozialer Spannungen.

Germany, Hamburg, Elbphilharmonie im Sonnenlicht.
Germany, Hamburg, Elbphilharmonie im Sonnenlicht.

© imago

Der Gegensatz von Kultur heißt ja nicht mehr Natur. Sondern Barbarei. Auch im Kulturellen lauert zwar oft das Monströse. Doch zugleich geht es um die eigene Identität. Kultur ist, was uns im Innersten zusammenhält. Mit allen Kosten und Widersprüchen, mit allen Risiken. Denn sie ist, ob im stolzen Hamburg oder im armen Bochum, wo gleichfalls gerade eine schöne, von allen gewünschte neue Philharmonie erstanden ist, der Ausdruck von Bürgersinn. Hier spielt die Musik, auch die des Zusammenlebens.

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