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Panorama: Ende einer Dienstfahrt?

Ab Montag steht der mutmaßliche Autobahn-Raser von Karlsruhe vor Gericht. Zwei Menschen sollen seinetwegen gestorben sein. Er selbst bestreitet die Tat

Die zwei Holzkreuze am Rande der Autobahn wirken wie ein Mahnmal. Fast jeder zwischen Karlsruhe und Heidelberg weiß, wem sie gelten. An dieser Stelle, nicht weit vor der Ausfahrt Bruchsal, starben am 14. Juli vergangenen Jahres eine 21-jährige Mutter und ihre zweijährige Tochter. Wäre es „nur“ ein tragischer Unfall gewesen, die Kreuze, die Blumen und das graue Stofftier wären eine Gedenkstätte, wie man sie häufig am Straßenrand findet.

Aber die Fahrerin war von einem Drängler derart erschreckt worden, dass sie mit ihrem Kleinwagen zu schnell nach rechts ausscherte. Sie verlor die Kontrolle über ihren Kia, kam von der Fahrbahn ab und fuhr gegen einen Baum. Mutter und Tochter waren sofort tot. Der Drängler fuhr weiter. Es war sechs Uhr morgens.

Ab Montag muss sich ein Ingenieur von Daimler-Chrysler vor dem Amtsgericht Karlsruhe wegen fahrlässiger Tötung und Fahrerflucht verantworten. Der Mann bestreitet, mit dem Unfall etwas zu tun zu haben.

Die Direktion der Autobahnpolizei hatte sofort nach dem tödlichen Unfall die Bevölkerung um Mithilfe gebeten, auch das Fernsehen schaltete sich ein. Zeugen hatten einen dunklen Mercedes mit dem Böblinger Kennzeichen BB beobachtet. Zunächst war unklar, ob es sich um ein Modell der S-Klasse handelte. Einige hatten ein C gesehen. Der Fahrer sei mit mindestens 200 km/h auf den Kleinwagen zugerast und hätte ihn fast berührt, hieß es. Die Empörung war riesig.

Leserbriefe füllten die Zeitungen, in denen Autofahrer ihrer Wut über die Jagd auf deutschen Autobahnen Luft machten. Das sei kein Unfall, das sei Mord, meinten die einen. Wer mit Hochgeschwindigkeit auf seinen Vordermann zurase, nehme in Kauf, dass es zu einem schweren, gar tödlichen Unfall komme. Eine Minderheit setzte dagegen., die Unart, bei mittlerer Geschwindigkeit beharrlich links zu fahren, verursache solche Unfälle mit. Der Kleinwagen fuhr auf der linken der drei Spuren. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung existiert auf dem Autobahnabschnitt nicht.

Die bis zu 43 Mann starke Sonderkommission überprüfte 700 Fahrzeuge. Die Spur führte früh zu den Firmenwagen von Daimler-Chrysler. Ende August hatte die „SoKo Raser“ schließlich den 34-jährigen Entwicklungsingenieur ermittelt, der nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft mit dem Mercedes-Firmenwagen CL 600 den tödlichen Unfall verschuldete. Ein Gutachten ergab im September, dass der Mercedes den Kia nicht berührt hatte. Sicher ist, dass der Ingenieur an diesem Morgen mit dem 176 PS starken Wagen auf Dienstfahrt vom schwäbischen Esslingen zur Teststrecke Papenburg (Emsland) war. Auf einem Tankbeleg ist die Tankzeit vermerkt. Darüber hinaus sollen die Handydaten Beweise liefern, wann sich der Fahrer wo befand.

Die Verteidigung hält entgegen, dass sich der Ingenieur um sechs Uhr morgens noch gar nicht am Unfallort befunden haben konnte. Er habe mit dem tödlichen Geschehen nichts zu tun. Die Ermittler sollen dagegen die Fahrt rekonstruiert haben. Danach soll es möglich gewesen sein, dass der angeklagte Fahrer zur fraglichen Zeit am Unfallort war. Ein schwieriger Indizienprozess steht dem Schöffengericht bevor, das unter Vorsitz einer Richterin verhandelt. Mehr als 30 Zeugen und mindestens zwei Sachverständige sollen gehört werden. Vier Verhandlungstage sind angesetzt.

Wer sich von dem Urteil ein Exempel gegen die Drängler auf Deutschlands Autobahnen erhofft, dürfte wohl enttäuscht werden. Auch bei einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung ist nur mit einer Bewährungsstrafe zu rechnen. „Oft kommt es nur zu einer Geldstrafe“, berichtet Alexander Krebs von der Autobahnpolizeidirektion Karlsruhe. Prominentestes Beispiel für die relative Milde bei Verkehrsdelikten ist Otto Wiesheu. Der heutige bayerische Staatsminister hatte im Oktober 1983 schwer alkoholisiert einen Autobahnunfall verschuldet, bei dem ein Mann starb. Wiesheu kam mit einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung, Geldstrafe und zwei Jahren Führerscheinentzug davon. Wer auf der Autobahn A5 Richtung Frankfurt fährt, wird unmittelbar vor dem Parkplatz Höfenschlag das große und das kleine Kreuz sehen, das an das tödliche Schicksal von Jasmin A. und Tochter Rebecca erinnert. Zehn Kilometer weiter hängt die Fotomontage mit einem Segelschiff, mit dem der Deutsche Verkehrssicherheitsrat zur „Entdeckung der Gelassenheit“ aufruft.

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