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Einer nannte sie „Eisvogel“. Früher strahlte Doris Heinze Macht und Einfluss aus. Davon ist nicht viel geblieben.

© dpa

Ende einer Karriere: Wie im Film - Doris Heinze und das Urteil

Sie war eine der mächtigsten Frauen des deutschen Fernsehens – jetzt wurde Doris Heinze wegen Bestechlichkeit verurteilt. Fast erstarrt nahm sie den Richterspruch zur Kenntnis.

Doris Heinze erstarrt fast auf der Anklagebank des prunkvollen Saals 300 des Landgerichts Hamburg, als ausgerechnet ein Mitarbeiter des Norddeutschen Rundfunks (NDR) keine drei Meter vor ihr steht und seine Kamera gnadenlos auf sie hält. Doch die frühere NDR-Fernsehspielchefin erträgt es. Anders als die mitangeklagte Produzentin Heike Richter-Karst, die den Kopf angestrengt zur Seite dreht und mit der Hand noch das Gesicht verdeckt. Heinzes Mann, Claus Strobel, nimmt die Kameraleute und Fotografen stoisch hin. Gleich wird der Vorsitzende Richter Doris Heinze wegen Bestechlichkeit in fünf Fällen und wegen Betruges in Tateinheit mit Untreue in einem Fall verurteilen. Das Gericht bestraft die 63-Jährige mit einem Jahr und zehn Monaten Freiheitsstrafe, sieht aber zwei Monate bereits als vollstreckt an, weil sich der Prozessbeginn lange verzögert hat. Ins Gefängnis muss Heinze nicht, die Kammer setzt die Strafe zur Bewährung aus.

Es ist das letzte Kapitel in der Karriere einer Frau, die einmal zu den mächtigsten Menschen des deutschen Fernsehens zählte. Doris Heinze gehörte zu den Fernsehleuten, die über das Wohl und Wehe von Drehbuchautoren, Regisseuren und Produzenten entscheiden. Einer aus der Branche, der es wissen muss, spricht von rund zehn Menschen, die im deutschen Fernsehen eine solche Schlüsselposition innehätten. Heinze gehörte dazu. Reckte sie ihren Daumen nach oben, wurde mit großer Sicherheit aus einem Drehbuch ein Film, der dann irgendwann im Ersten lief. Wer es sich mit ihr verscherzte, sagt der Insider, wurde von Heinze auch schon mal über Monate geächtet. Einer nannte sie einmal einen Eisvogel. Doch auch diejenigen, die angeben, den Zorn der NDR-Frau zu spüren bekommen zu haben, betonen ihre Kompetenz und loben ihre Kreativität. Heinze entwickelte beispielsweise die Figur der Charlotte Lindholm für den Hannover-„Tatort“, dargestellt von Maria Furtwängler, und zeichnete auch für die beiden anderen Nord-„Tatorte“ aus Kiel und Hamburg verantwortlich.

Macht und Einfluss strahlte einst ihre Erscheinung aus. Davon ist im Gericht nicht viel geblieben.

Es gehe in diesem Korruptionsprozess nicht darum, dass „jemandem einfach ein Briefumschlag mit Geld über den Tisch geschoben wird“, sagt der Vorsitzende Richter Volker Bruns und fügt an „und trotzdem ist es darunter zu subsumieren“. Es geht darum, dass eine mächtige Fernsehfrau und eine einflussreiche Produzentin zum gegenseitigen Vorteil gemeinsame Sache machen. Richter-Karst zahlte für Drehbücher von Heinze und ihrem Mann, Heinze sorgte im Gegenzug dafür, dass der NDR ihr den Auftrag zur Verfilmung gab. Alle drei profitierten.

Das Gericht nimmt den drei Angeklagten ab, dass es ihnen nicht darum ging, sich zu bereichern. Es glaubt Heinze, dass sie gute Filme machen und dem NDR „nicht irgendwelchen Schrott unterjubeln wollte“, so sagt Richter Bruns. Zu ihren Gunsten wertete die Kammer auch, dass Heinze weitgehend geständig war und den Schaden wiedergutmachte, indem sie dem Sender zu Unrecht erhaltenes Honorar zurückzahlte. Doch das Gericht ist sich sicher, dass Heinze die treibende Kraft hinter den Taten war. Für Heinze kommt erschwerend hinzu, dass das Gericht in der leitenden Redakteurin einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt eine Amtsträgerin sieht. Es ist die Voraussetzung für die Straftat der Bestechung und Bestechlichkeit.

Heinze habe, so sieht es das Gericht, eine „besondere Verantwortung“ auch gegenüber dem Gebührenzahler und gleich mehrere Pflichten verletzt. Sie hätte ihr Pseudonym „Marie Funder“ gegenüber dem NDR offenlegen müssen und keine Geschäfte mit Angehörigen führen, geschweige denn indirekt über Honorarzahlungen an sich selbst entscheiden dürfen. Ihr war auch bekannt, dass Claus Strobel keine Drehbücher für den NDR schreiben durfte, um den Anschein von Vetternwirtschaft zu vermeiden. Um dieses Verbot zu umgehen, wählte das Ehepaar für seine Bücher das Pseudonym „Niklas Becker“. Beide hören sich die Worte des Richters nahezu regungslos an.

Das Urteil ist milde. Zwei Jahre lang darf sich die 63-jährige Heinze nun nichts zuschulden kommen lassen. Und sollte sie der Stille in Nordstrand einmal überdrüssig werden und zurück nach Hamburg ziehen, hat sie dies der Polizei mitzuteilen. Hält sie sich nicht daran, könnte die Strafe vollstreckt werden und sie im Gefängnis landen. Eine abwegige Vorstellung. Den höchsten Schaden hat sich Doris Heinze selbst zugefügt: Sie hat ihren Job verloren, den sie mit Hingabe ausführte. Sie ist finanziell am Ende. Und auch wenn sie nun Kriminalromane schreibt – ein Millionenpublikum wird sie wohl nie mehr erreichen, auch neben Maria Furtwängler und Veronica Ferres wird sie wohl kaum noch zu sehen sein. Für eine Frau, von der es heißt, sie sei nicht frei von Eitelkeit, sind dies keine unerheblichen Verluste. Richter-Karst wird wegen Bestechung zu 300 Tagessätzen à 7 Euro verurteilt. Die 51-Jährige sei „wirtschaftlich ruiniert“, weshalb die Höhe ihres Tagessatzes auf Sozialhilfeniveau liege. Sie scheint mit dem Urteil einverstanden. Während der Richter spricht, nickt sie mit dem Kopf. Das Gericht verurteilt Claus Strobel wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit in zwei Fällen zu 180 Tagessätzen à 18 Euro. Auch er ist pleite.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Oberstaatsanwältin überlegt, in Revision zu gehen. Sie hatte drei Jahre Gefängnis für Doris Heinze gefordert.

„Ich kann mit dem Urteil sehr gut leben. Und ich glaube, Frau Heinze auch“, sagt ihr Anwalt hinterher. „Sie hatte Angst, dass sie tatsächlich ins Gefängnis muss“. Sie selbst setzt noch im Gebäude die Sonnenbrille auf und lächelt stumm. Dann ist sie auch schon weg.

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