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Könnte es auch eine Dose Weißwürste sein, die einen Amokläufer abwehrt? Fleischfabrikant Peter Kraus (r) könnte exportieren.

© dpa

Erbsen, Bohnen, Mais: Konservendosen gegen Amokläufer

Was macht ein Schüler, wenn ein Todesschütze ins Klassenzimmer stürmt und die Waffe auf ihn richtet? Eine Dose Gemüse werfen, schlägt eine US-Schulleiterin vor. Von der Hoffnung, dass strengere Waffengesetze Amokläufe verhindern könnten, hat man sich wohl verabschiedet.

Das Szenario klingt völlig absurd: Ein Amokläufer zieht mit geladenem Sturmgewehr durch die Flure einer High School und schießt auf alles, was sich bewegt. Noch hat die Polizei den Täter nicht gestellt, Schüler und Lehrer bangen um ihr Leben. Doch als der Schütze die Tür zu einem Klassenzimmer öffnet, fliegt ihm plötzlich eine Dose Erbsen an den Kopf. Er wird ohnmächtig und bleibt reglos am Boden liegen, bis die Polizei die Situation unter Kontrolle bringt. Was fast wie Slapstick klingt, soll an der Burns Middle School im US-Staat Alabama helfen, im Fall der Fälle Menschenleben zu retten.

„Die Dosen sind billig, schwer und lassen sich gut werfen“

Eltern sollen ihren Kindern und Teenagern dort Konservendosen von normaler Größe mitgeben, damit sie vorbereitet sind, wenn es eines Tages wirklich ernst werden sollte. „Uns ist klar, dass es seltsam erscheint“, schreibt Schulleiterin Priscella Holley an die Eltern. Doch eine gezielt geworfene Dose Mais, Erbsen oder Bohnen könne Angreifer „auf dem falschen Fuß erwischen“ und sogar ausschalten.

„Die Dosen sind billig, schwer und lassen sich gut werfen“, sagt Kelli Hodge, Leiterin des Schulbezirks Chambers County, der Nachrichtenagentur dpa. „Den Schülern wird beigebracht, eine Reihe von Dingen zu werfen.“ Nicht Wurf-Übungen sind damit gemeint, sondern die Tatsache, dass geworfene Gegenstände letztes Mittel wehrloser Schüler seien, die den - vielleicht lebensentscheidenden - Unterschied machen könnten. „Es geht darum, so viel Verwirrung zu stiften wie möglich.“ Und in der Tat könnte ein Amokläufer nicht mehr ungestört um sich schießen, wenn eine Gruppe Zehntklässler es Stühle, Bücher, Tacker, Tassen oder eben Konservendosen regnen lässt.

Doch in einem Land, in dem laut offizieller Statistik jedes Jahr im Durchschnitt zwischen 14 und 34 Schüler bei Schießereien sterben, wirkt es hilflos und weltfremd, den Jungs und Mädchen einfach eine Dose Mais in die Hand zu drücken. Hätte diese etwa das Blutbad an der Sandy Hook Elementary School verhindert, an der ein 20-Jähriger im Dezember 2012 zunächst seine Mutter und dann 20 Erstklässler und sechs Angestellte erschoss?

Strengere Waffengesetze sind nicht absehbar

Schulen und Colleges haben längst erkannt, dass sie sich selbst auf sogenannte „Active Shooter Incidents“ vorbereiten müssen. Strengere Waffengesetze sind wegen des erbitterten Widerstand der mächtigen Waffenlobby und der Republikaner im Kongress noch immer nicht absehbar. Nur nach neuen Bluttaten kocht die Debatte im Land kurz wieder hoch. Und so veranstalten Schulen Übungen; Lehrer kommen teils bewaffnet in den Unterricht. 2013 wurden in mindestens 33 der 50 Bundesstaaten Gesetzentwürfe vorgelegt, um Lehrern und Angestellten von Schulen und Hochschulen das Tragen von Waffen teils zu erlauben.

In Oklahoma hofft man, dass schusssichere Matten die Kinder im Notfall vor tödlichem Kugelfeuer schützen. Die „Bodyguard“-Matte lässt sich wie ein rechteckiger Rucksack auf den Rücken schnallen. Unter diesen könnten sich geduckte Schüler dann verstecken wie Schildkröten in ihrem Panzer. Die Menschen scheinen sich damit abgefunden zu haben, dass Schießereien einfach hin und wieder stattfinden - und man sich einfach entsprechend wappnen muss.

An der Burns Middle School hätten die ersten Schüler schon Dosen mitgebracht, sagt Kelli Hodge. „Wir hoffen, dass die Konservendosen nie benutzt oder gebraucht werden, aber es ist am besten, vorbereitet zu sein“, heißt es in dem Brief an die Eltern. Am Ende des Jahres sollen die Konserven einer Wohlfahrtsküche gestiftet werden. (dpa)

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