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Erdbeben-Katastrophe: Haiti befürchtet bis zu 200 000 Tote

Das Erdbeben der Stärke 7 vom vergangenen Dienstag in Haiti ist nach Ansicht der Vereinten Nationen die schlimmste Katastrophe, mit der die Weltorganisation jemals zu tun hatte. 50.000 Leichen wurden bereits geborgen.

Von Matthias Schlegel

Berlin - Zu dieser Einschätzung kam die Sprecherin des Büros zur Koordinierung humanitärer Einsätze, Elisabeth Byrs, am Samstag in Genf. Unterdessen sind die internationalen Hilfsmaßnahmen, die durch extrem schwierige Bedingungen vor Ort behindert sind, angelaufen. US-Truppen übernahmen am Samstag das Kommando über den Flughafen von Port-au-Prince und koordinieren an diesem logistischen Nadelöhr die eintreffenden Hilfsflüge. Wegen der schlechten Versorgung im Katastrophengebiet kommt es immer häufiger zu Plünderungen und Überfällen.

Neuen Schätzungen zufolge könnten bis zu 200 000 Menschen bei dem Beben ums Leben gekommen sein. „Wir haben bereits etwa 50 000 Leichen geborgen“, sagte der haitianische Innenminister Paul Antoine Bien-Aime am Samstag, vier Tage nach der Katastrophe. Die genaue Zahl der Todesopfer werde man wohl nie kennen. Sollte sich die hohe Zahl bestätigen, wäre das Beben eines der zehn schwerwiegendsten der Geschichte. Die Chance, Überlebende aus den Trümmern zu bergen, verringerte sich angesichts der Tatsache, dass ein Mensch nur etwa drei Tage ohne Wasser auskommen kann, immer weiter. Dennoch vermelden die Rettungskräfte immer wieder Erfolge. So bargen britische Helfer am Freitag (Ortszeit) ein zweijähriges Mädchen lebend aus den Trümmern eines Kindergartens. 1,5 Millionen Menschen sind nach Schätzung der Regierung obdachlos geworden. Nach Angaben der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ haben drei Millionen Menschen keinen Zugang zu Lebensmitteln, Wasser und sanitären Einrichtungen.

Haitis Präsident René Préval bedankte sich für die weltweit angelaufenen Hilfe und bedauerte zugleich, dass bislang so wenig bei den Bedürftigen ankomme. Er habe US-Präsident Barack Obama und mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon über die Koordinierung der Hilfe gesprochen, sagte Preval der Nachrichtenagentur Reuters. „Es ist wie in einem Krieg“, die Schäden könnten mit denen nach einem 15-tägigen Bombenangriff verglichen werden. Der Präsident und die Regierung, deren Amtssitze bei dem Erdbeben weitgehend zerstört wurden, sind notdürftig in einer Polizeikaserne am Flughafen untergebracht.

Die USA wollen bis Montag insgesamt 10 000 Soldaten zum Hilfseinsatz abstellen. Sie stützen sich dabei auf den Flugzeugträger „Carl Vinson“, der am Freitag vor der Küste Haitis ankerte. US-Außenministerin Hillary Clinton wollte am Samstag in Port-au-Prince eintreffen, sich aber ausschließlich am Flughafen aufhalten, um die Hilfsmaßnahmen in der Stadt nicht zu behindern. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wird am Sonntag erwartet. Einwohner von Port- au-Prince klagten derweil über zunehmende Überfälle und Plünderungen. Es gebe keine Polizei mehr, die solche Übergriffe verhindern könne. Ein Radiosender rief die Bewohner der Hauptstadt auf, Nachbarschaftshilfe zu organisieren.

Am Samstagmorgen startete in Berlin eine Maschine mit einer mobilen Klinik des Deutschen Roten Kreuzes an Bord. Die Bundesregierung stockte die Unterstützung für das Katastrophengebiet auf insgesamt 7,5 Millionen Euro auf. Das Auswärtige Amt stellt fünf statt eine Million Euro bereit und das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit erhöhte die Nahrungsmittelsoforthilfe von 500 000 auf 2,5 Millionen Euro, teilte das Außenministerium am Samstag mit. Die Vereinten Nationen (UN) richteten 15 Zentren für die Auslieferung von Hilfsgütern ein. Nach Auskunft der Organisation „Aktion Deutschland Hilft“ beaufsichtigen UN-Soldaten die Verteilung.

Tausende Leichen wurden nach Medienberichten am Freitag mit Lastwagen aus der Stadt gebracht und in einem Massengrab nördlich der Hauptstadt beigesetzt. Viele Bewohner campieren weiterhin in Parks und auf der Straße. Die Menschen sind traumatisiert und warten verzweifelt auf Hilfe. Das Auswärtige Amt hatte auch am Samstag noch keine Erkenntnisse darüber, ob Deutsche bei dem Erdbeben verletzt wurden oder ums Leben gekommen sind. mit AFP, rtr, dpa

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