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Die Ostsee-Fähre „Estonia“ sank am 28. September 1994.

© Reuters

Erinnerung an den „Estonia“-Untergang: Als die Ostsee plötzlich kein friedliches Meer mehr war

Auf dem Weg von St. Petersburg nach Schweden – wenige Stunden nach der Katastrophe vor 25 Jahren. An Bord der Fähre „Anna Karenina“ herrschten Trauer und Angst.

Von Kiel über das schwedische Nynäshamn nach St. Petersburg und zurück ging unsere Reise mit der „Anna Karenina“ im September 1994. Eine knappe Woche dauerte die Tour, die Nächte verbrachten wir an Bord. Nach einem dreitägigen Aufenthalt im früheren Leningrad kehrten wir am frühen Abend des 28. September zurück auf die Fähre, die kurz darauf Fahrt aufnahm.

In der Eingangshalle standen große Aufsteller, auf denen über das Unglück der „Estonia“ wenige Stunden zuvor informiert und der Trauer unserer Besatzung über die vielen Opfer Ausdruck verliehen wurde. In der Nacht vom 28. zum 29. September war die See erneut sehr unruhig.

Wir hatten eine Kabine „unten/innen“, fensterlos. Sie lag unter dem Parkdeck, das voller Pkw, Lkw und auch Busse stand. Nur kurz hielten wir es in dieser Nacht dort aus, durch die schwere See schien das Schiff in sich zu vibrieren, Metall knirschte auf Metall, und das Wissen, um den Untergang der „Estonia“ verstärkte unsere Angst. Den Rest der Nacht verbrachten wir in der Bar – wie viele andere Passagiere, die ihre Kabinen verlassen hatten.

Als wir nahe der Unglücksstelle vorbei kamen, schickte die „Anna Karenina“ einen tiefen Ton aus ihrem Signalhorn ins Dunkel. Danach wurde eine Schweigeminute eingelegt, einige der Angestellten hielten sich in den Armen und weinten. Viele von ihnen kannten Kollegen auf der „Estonia“.

Uns einte das Gefühl von Trauer, viele versuchten, einander zu trösten – unvorstellbar, dass ein solches Unglück geschehen konnte. Bevor ich diese Reise angetreten hatte, war die Ostsee für mich ein friedliches Meer, an dessen Strand ich als Kind gespielt hatte. Nach dieser Nacht vor 25 Jahren war das für immer vorbei.

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