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Ein Foto der in Heilbronn ermordeten Polizeimeisterin. Kann die Tat nun geklärt werden?

© dpa

Update

Ermittlungserfolg: Polizistenmord von Heilbronn offenbar aufgeklärt

Nazis, Bomben, Banküberfälle, erschossene Polizisten und Brandstiftung: Einer der spektakulärsten Kriminalfälle seit der Wiedervereinigung bekommt eine neue Wendung.

Von Frank Jansen

Es ist einer der wildesten Kriminalfälle seit der Wiedervereinigung – und er beginnt im Milieu des Thüringer Rechtsextremismus. Uwe M. (38) und Uwe B. (34), die am vergangenen Freitag in Eisenach in einem Wohnmobil verbrannten, nachdem sie kurz zuvor eine Sparkassenfiliale überfallen hatten, zählten einst und vielleicht auch bis zum Schluss zur Szene der Neonazis.

Die beiden Männer und die mutmaßliche Komplizin Beate Z. (36), die sich am Dienstag in Jena der Polizei gestellt hat, sollen Ende der 1990er Jahre in der Stadt Rohrbomben gebaut haben. Anfang 1998 konnte das Jenaer Trio untertauchen. Es wird nun mit mehreren Gewalttaten in Verbindung gebracht, quer durch Deutschland. Polizistenmorde, Überfälle, ein explodiertes Haus – was da passiert ist oder sein soll und dass es, untypisch für eine Fahndung nach Rechtsextremisten, mehr als 13 Jahre nicht gelang, diese drei Thüringer aufzuspüren, erscheint so schrecklich wie mysteriös.

Die Ermittlungen zu dem Feuer in dem Wohnmobil und dem Überfall auf die Sparkasse in Eisenach „bekommen eine neue Dimension“, teilte das Thüringer Innenministerium am Dienstag mit. Da ging es vor allem um den gewaltsamen Tod einer Polizistin in Heilbronn. Bereits am Montag hatte das Landeskriminalamt Baden-Württemberg, wie berichtet, bekannt gegeben, dass bei den verbrannten Leichen von Uwe M. und Uwe B. die Dienstwaffen der im April 2007 erschossenen Polizistin Michèle M. und ihres damals schwer verletzten Kollegen lagen. Die Heilbronner Beamtin stammte aus Thüringen – ein Indiz für irgendeine Verbindung zu dem Trio aus Jena? Ob Uwe M. und Uwe B. damals die Schüsse auf die zwei Polizisten abgaben, ob sie die Dienstwaffen an sich nahmen oder diese ganz woanders auf einem Schwarzmarkt bekamen, ist ebenfalls noch nicht geklärt. Wie weitere Taten.

Vor anderthalb Wochen, am 28. Oktober, wurden in Augsburg der Hauptkommissar Matthias V. erschossen und eine Kollegin durch einen Streifschuss verletzt. Die Beamten hatten zwei verdächtige Personen auf einem Motorrad kontrollieren wollen. Der Fahrer gab Gas, die Polizisten verfolgten das Motorrad, es fielen die tödlichen Schüsse. Die Augsburger Polizei hat am Montag die Belohnung für Hinweise zur Ergreifung der Täter auf 55 000 Euro erhöht. Und nun soll anhand von DNA-Spuren ermittelt werden, ob von den drei Thüringern zwei auf dem Motorrad gesessen haben.

Ein weiterer Fall: zwei Männer, die Polizei vermutet Uwe M. und Uwe B., überfielen am 7. September eine Filiale der Sparkasse im thüringischen Arnstadt. Die maskierten Täter raubten mehrere tausend Euro, eine Angestellte wurde verletzt. Und dann gab es vergangenen Freitag noch die Detonation in dem Haus in Zwickau (Sachsen). Das Gebäude, in dem die beiden Männer mit Beate Z. wohnten, wurde bei einer Explosion schwer beschädigt. An dem Tag, an dem Uwe M. und Uwe B. die Sparkasse in Eisenach attackierten und das grausige Finale im Wohnmobil inszenierten.

Es sei vorstellbar, dass Uwe M., Uwe B. und Beate Z. mit Überfällen ihren Lebensunterhalt bestritten haben, vermuten Sicherheitskreise. Bezüge zur rechtsextremen Szene seien nach dem Abtauchen im Jahr 1998 nicht zu erkennen. Vorher allerdings reichlich. Das Trio, damals lose verbunden mit der Neonazi-Kameradschaft „Thüringer Heimatschutz (THS)“, soll Anfang 1997 Attrappen von Briefbomben an eine Thüringer Zeitung sowie an Rathaus und Polizeidirektion von Jena verschickt haben. So steht es im Jahresbericht 1998 des Thüringer Verfassungsschutzes. Sprengkörper und -attrappen sollen Uwe M., Uwe B. und Beate Z. von 1996 bis 1998 gebastelt haben. Im Januar 1998 schlug die Polizei zu und stellte in einer Garage in Jena vier funktionsfähige Rohrbomben sicher. Doch das Trio war weg und blieb 13 Jahre unentdeckt. 2003 wurden die Ermittlungen eingestellt, wegen Verjährung. Wie ist das alles zu erklären? War der Verfassungsschutz involviert – der einst den Anführer der Kameradschaft THS als V-Mann führte?

Der Thüringer Verfassungsschutz weist jeden Verdacht zurück, die Neonazis seien gedeckt worden. „Ich habe keine Erkenntnisse, dass die drei beim Abtauchen staatliche Unterstützung erhalten hätten“, sagte der Präsident des Landesamtes, Thomas Sippel, dem Tagesspiegel. Sippel leitet die Behörde seit 2000. Es gebe zudem „keine Anhaltspunkte“, wo sich das Trio von 1998 an aufgehalten habe. Der Fall werde, vermutet der Wiesbadener Kriminalpsychologe Rudolf Egg, „noch für einige Zeit rätselhaft sein“.

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