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Erster Weihnachstmarkt in der Ukraine: Glühwein für Kiew

In der ukrainischen Hauptstadt Kiew wird es den ersten Weihnachtsmarkt geben – nach deutschem Vorbild. Am Freitag soll er von Bürgermeister Vitali Klitschko eröffnet werden.

Auch am Wochenende wird auf dem Platz vor dem Sofienkloster gebohrt, gehämmert und gemalert. Die Arbeiter schieben Sonderschichten, damit der erste Weihnachtsmarkt in Kiew pünktlich am 19. Dezember, dem Nikolaustag der orthodoxen Kirche, seine Tore öffnen kann. „Der Markt und das Angebot werden eine absolute Neuigkeit für Kiew sein“, schwärmt Igor Dobrutski, dessen Firma „Folk Ukraine“ für Aufbau und Betrieb verantwortlich ist. Dobrutski hatte der ukrainischen Hauptstadt in der Vergangenheit immer wieder Vorschläge für einen Weihnachtsmarkt im europäischen Stil – oder besser gesagt, nach dem Vorbild der deutschen Adventsmärkte – gemacht. „Das hat nie so richtig gezogen, doch seitdem Vitali Klitschko Bürgermeister ist, renne ich mit meiner Idee buchstäblich offene Türen ein“, sagt der Eventmanager.

Obwohl die Planungen für den Markt seit Monaten laufen, muss es jetzt schnell gehen. Vor ein paar Tagen ist die 24 Meter hohe Tanne angeliefert worden. Der 82 Jahre alte Nadelbaum stammt aus den Wäldern der West-Ukraine, aus Iwano Frankiwsk an der polnischen Grenze. Igor und sein Kollege Sascha sind seit Tagen dabei, den zwölf Tonnen schweren Koloss zu sichern und zu verschönern. 20 Büdchen wird es geben. Wie auf den Märkten in Deutschland sollen Süßigkeiten, Getränke, kleine Geschenke und kunsthandwerkliche Arbeiten verkauft werden. Vor allem aus der Region und der West-Ukraine. Sogar Glühwein wird angeboten.

Die Eröffnung durch Bürgermeister Vitali Klitscho wird live vom Fernsehen übertragen

„Der ist mittlerweile auch in Kiew beliebt“, sagt Klitschko. Am Freitag will er mit Marina Poroschenko, der Ehefrau des Präsidenten, die Christmas-Saison eröffnen. Wenn sie vor erwarteten 15000 Schaulustigen die Lichter am Tannenbaum anschalten, überträgt das Fernsehen live.

Marina Poroschenko ist Patin der verschiedenen Workshops, die auf dem Weihnachtsmarkt besucht werden können. Das Angebot wendet sich vor allem an Kinder und Jugendliche: Sie sollen nicht nur Spaß am Basteln von Weihnachtsdekoration haben, sondern auch die geschichtlichen und kulturellen Hintergründe kennenlernen. „Wir wollen neben ganz klassischem Christbaumschmuck auch historische Figuren aus der ukrainischen Geschichte herstellen“, sagt Nadia Tutenko, Kuratorin bei Folk Ukraine. Zum Beispiel den Diduch, eine Figur aus Strohähren. Bevor es in der Ukraine eine Tannenbaumtradition gab, stellten sich die Menschen einen Diduch aus den ersten und den letzten Ähren der Ernte in die Stube. Am Ende der Feiertage wird die Figur verbrannt – diese altslawische Tradition hat vor allem in den Dörfern der West-Ukraine überlebt.

Die Medien berichten seit Wochen über diesen ersten Weihnachtsmarkt

Die Medien berichten seit Wochen über diesen ersten Weihnachtsmarkt im, wie es die russische Tageszeitung „Vesti“ nennt, „europäischen Stil“. Die Angebote auf dem Sofienplatz werden komplett anders sein als in den vergangenen Jahren. Die neue Führung im Kiewer Rathaus hat sich vor allem deshalb zu diesem Schritt entschlossen, um einen Gegenpol zum vergangenen Jahr zu setzen. Nicht nur der Stil, auch der Ort ist neu. In den Jahren zuvor hatte es auf dem Unabhängigkeitsplatz in der Innenstadt, dem Maidan, jedes Mal einen Baum gegeben, die Kunsttannen wurden von Jahr zu Jahr größer. 2013 demonstrierten Anfang Dezember bereits Tausende von Menschen für einen West-Kurs des Landes und gegen die damalige politische Führung. An einen Weihnachtsmarkt war nicht zu denken. Einzig das Gerüst für den Tannenbaum wurde aufgestellt, die Demonstranten behängten es damals mit unzähligen ukrainischen Flaggen. Der Baum wurde zu einem Symbol des Widerstands auf dem Maidan-Platz und ist erst im August abgebaut worden.

Damit es nicht zum Streit kommt, gibt es noch weitere Angebote

„Der Markt auf dem Platz vor dem Sofienkloster ist ein Mosaikstein für den Neuanfang, den die Stadt Kiew, ihre Bürger und ihre Besucher erleben“, lässt Klitschko mitteilen. Der Platz ist historisch. Die Kirche und das angrenzende Kloster sind der Hauptsitz der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats. Nach der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 spaltete sich ein Teil des ukrainischen Klerus von der Moskauer Führung ab und verlegte sein Zentrum ins Sofienkloster in Kiew. Seitdem gibt es in der Ukraine zwei orthodoxe Kirchen, die des Patriarchen Filaret und die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats, angeführt von Patriarch Onufri. Filaret vertritt etwa 18 Millionen Gläubige in der Ukraine, Onufri 25 Millionen.

Damit es in Kiew nicht zum Streit über die Weihnachtsmärkte kommt, gibt es neben der „europäischen Variante“ auf dem Sofienplatz noch zwei weitere Angebote. Vor dem Olympiastadion werden Karussells und eine Bühne für den Markt der Anhänger von Väterchen Frost aufgebaut. Im Stil der aus Sowjetzeiten übernommenen Neujahrsfeiern, als Väterchen Frost im blauen Mantel zusammen mit seiner Enkelin Snegurochka (Schneemädchen) am 31. Dezember Geschenke verteilte und die Erwachsenen das neue Jahr begrüßten, wird dort ein blau-weißer Winterzauber veranstaltet. Und wem das nicht gefällt, der kann einen winterlichen Vergnügungspark am Ufer des Dnipr besuchen.

In vielen anderen Ländern haben Weihnachtsmärkte nach deutschem Vorbild bereits Tradition

In vielen anderen Ländern haben Weihnachtsmärkte nach deutschem Vorbild bereits Tradition. In Europa genießen die Menschen zum Beispiel in Straßburg, London, Leeds, Glasgow oder Birmingham, Manchester, Wien oder Zürich Bratwurst und Glühwein. In den USA werden deutsche Weihnachtsmärkte in Chicago, Pittsburgh, Baltimore, New York oder Denver veranstaltet. „And think of all the Lebkuchen and Glühwein, you will get“, lautet dort die Werbung der Veranstalter. Und auch in Australien heißt es: „Hohoho – go to the german christmas markets“. Auch in Schanghai in China gibt es einen großen deutscher Weihnachtsmarkt. In Japan lockt Osaka mit einem Christkindl-Market im „german style“.

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