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Panorama: Es kam aus dem neunten Stock

Der Ort, an dem alles begann und die neue Lungenentzündung Sars sich in alle Welt verbreitete: das Hotel „Metropole“ in Honkong

Die gedeckten Tische im Café „Palm Court“ sind leer. Kellner in weißen Uniformen schauen in die Luft. Das Hotel „Metropole“ ist in diesen Tagen auffällig leer. Die wenigen Gäste halten sich nicht lange in der Lobby auf, gehen eilig auf ihre Zimmer. Vor vier Wochen haben sich hier im „Metropole“, einem 487-Betten-Hotel im Zentrum von Hongkong, sieben Menschen mit der Lungenkrankheit Sars angesteckt. Jetzt sind sich Hongkongs Behörden sicher: Vom „Metropole“ aus verbreitete sich die tödliche Krankheit in die Welt.

Mitte Februar checkte hier Professor Liu Jianlun, ein Arzt aus der südchinesischen Stadt Kanton, im neunten Stock ein. Professor Liu wollte eigentlich an einer Hochzeit teilnehmen. Doch schon bei seiner Ankunft fühlte sich der 64-Jährige so schwach und fiebrig, dass er wenig später in ein Krankenhaus gebracht werden musste. Wenige Tage später starb er. Professor Liu, der in Südchina Patienten mit einer ähnlichen Lungenkrankheit behandelt hatte, brachte den Informationen zufolge den Erreger als Erster nach Hongkong, von wo er sich weiter in andere Länder ausbreitete. Sechs Touristen, die wie Liu im neunten Stock des „Metropole“ übernachtet hatten, seien von der Krankheit angesteckt worden: Eine 78-jährige Frau starb kurz nach ihrer Heimkehr nach Kanada. Drei Hotelgäste kamen aus Singapur, wo bisher ebenfalls 34 Erkrankungen registriert wurden. Ein Geschäftsmann aus den USA reiste nach seinem Aufenthalt im „Metropole“ nach Vietnam. 80 Prozent der Fälle ließen sich auf den Arzt aus Südchina zurückführen, teilte Gesundheitsminister Yeoh Eng-kiong mit. Ein Hinweisschild der Hotelleitung versperrt den Weg. Seit Mitte der Woche ist der neunte Stock des „Metropole“ geschlossen. Der blau-grüne Teppichboden sieht frisch gereinigt aus. Das ganze Stockwerk sei desinfiziert worden, teilen die Behörden mit. In den anderen Etagen übernachten weiter Touristen. Als die Nachricht von den Ansteckungen im „Metropole“ bekannt wurden, reisten allerdings viele Touristen vorzeitig ab. „Wir wollen so schnell wie möglich weg von hier, weg von diesem Albtraum“, sagt Sammi Ho aus Singapur.

Die Untersuchungen aus Hongkong bestätigen den Verdacht von Gesundheitsexperten, dass Sars seinen Ursprung in Südchina hat. Ende vergangenen Jahres war dort eine ähnliche Lungenkrankheit ausgebrochen. Bisher konnte die Weltgesundheitsorganisation WHO jedoch noch keinen wissenschaftlichen Zusammenhang zwischen den beiden Erkrankungen herstellen.

Hongkongs Bewohner reagieren zum Teil hysterisch. Viele tragen weiße Schutzmasken vor dem Mund, um sich gegen eine Ansteckung zu schützen. Andere halten sich in der U-Bahn ein Taschentuch vor die Nase. Eltern schicken ihre Kinder nicht mehr zur Schule. Dabei haben Experten inzwischen eindeutig festgestellt, dass Sars bei normalem menschlichen Kontakt ungefährlich ist. Allenfalls enge Angehörige von Erkrankten sowie medizinisches Personal sind gefährdet.

Harald Maass[Hongkong]

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