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Immer unbeliebter: Zigaretten.

© dpa

Es stinkt vielen: Zigarettenkonsum sinkt auf Rekordtief

In Deutschland werden so wenige Zigaretten geraucht wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Statistiker führen das vor allem auf die höheren Tabaksteuern zurück.

Wer Filme aus den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts anschaut, merkt nicht nur an den Kameraeinstellungen und an den Klamotten der Protagonisten, dass sie nicht von heute sind: Als Zuschauer reibt man sich vor allem die Augen darüber, wie viele Akteure in fast allen Lebenslagen eine Zigarette im Mund haben. Die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen, dass sich nicht allein im Kino etwas geändert hat: In Deutschland wurden 2014 so wenige Zigaretten verkauft wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Insgesamt waren es 79,5 Milliarden versteuerte Zigaretten, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte.

Im Jahr 1991 wurden mit 146,5 Milliarden noch annähernd doppelt so viele Zigaretten versteuert. Und die Tendenz ist weiter sinkend: Im Jahr 2013 waren es noch fast ein Prozent mehr Zigaretten als 2014. Auch Feinschnitt zum Selberdrehen wurde im vergangenen Jahr geringfügig weniger verkauft. „Diese Entwicklungen sind unter anderem auf die zum 1. Januar 2014 erfolgte Tabaksteuererhöhung für Zigaretten und Feinschnitt zurückzuführen“, erklärt das Statistische Bundesamt. Zu Jahresbeginn 2015 wurde die Steuer, die mit rund 14 Milliarden für den Staat eine ergiebige Einnahmequelle bildet, erneut um zwei Prozent angehoben.

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen in Hamm begrüßt dies als Mittel der sogenannten Verhältnisprävention: Über individuelle Aufklärung („Verhaltensprävention“) hinaus müsse alles getan werden, um vor allem Jugendlichen den Zugang zur Zigarette zu erschweren. „Preiserhöhungen sind neben Warnhinweisen, Werbebeschränkungen, Einhalten des Jugendschutzes und der Begrenzung des Zugangs an Automaten ein wichtiges Mittel“, sagt Sprecherin Christa Mervert-Diete.

Was die Warnhinweise auf den Packungen anbelangt, so hätten vor allem die öffentlichen Diskussionen über deren Sinn und Zweck eine segensreiche Wirkung entfaltet. Es scheint inzwischen schwerer geworden zu sein, beim Rauchen von den gesundheitlichen Folgen abzusehen: Auf der Grundlage verschiedener Studien erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 2009, dass weltweit fast neun Prozent aller Todesfälle als direkte Folge des Rauchens zu betrachten sind, beim Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ) geht man davon aus, dass das in Deutschland in jedem Jahr auf mindestens 100000 Menschen zutrifft.

Nur wenige schaffen es, vom Rauchen loszukommen

Mehr als 90 der rund 4800 Substanzen, die sich – neben dem stimulierenden, suchterzeugenden Nikotin – in der Zigarette nachweisen lassen, gelten inzwischen als sicher krebserzeugend. Zigarettenrauch kann aber auch zu einer schweren chronischen Bronchitis führen. Er verengt die Blutgefäße und erhöht die Gefahr für Herzinfarkt und Schlaganfall. Aus gesundheitlicher Sicht gibt es also jede Menge Gründe, das Rauchen sein zu lassen. Doch aufhören ist schwer, wie Studien belegen. Weniger als jeder zwanzigste chronische Raucher schafft den Rauchstopp ohne professionelle Hilfe.

Dass es so hart ist, hat biologische und psychologische Gründe. Da ist zunächst das Nikotin, das innerhalb von sieben bis acht Sekunden an speziellen Rezeptoren des Gehirns andockt und die Ausschüttung verschiedener Botenstoffe ankurbelt. Der Belohnungseffekt, der sich anschließend einstellt, macht schnell abhängig. Da ist zum Zweiten das erlernte Verhalten, das schwer abzutrainieren ist, weil es das Rauchen zum Bestandteil des Lebens macht. Dazu kommen Befürchtungen wie die, automatisch an Gewicht zuzulegen, wenn man das Laster Rauchen aufgibt. Alle diese Aspekte werden heute in zertifizierten Programmen berücksichtigt, die teilweise von den Krankenkassen mitfinanziert werden.

Immer weniger Jugendliche rauchen

Doch immer weniger Heranwachsende gewöhnen sich das Rauchen überhaupt an: Rauchten im Jahr 1979 noch 30 Prozent der 12- bis 17-Jährigen, so sind es heute noch neun Prozent. Streng wissenschaftlich ist der Beweis, dass die Verkaufszahlen sinken, weil die Steuern gestiegen und damit die Packungen deutlich teurer geworden sind, nur schwer zu führen. Ein kausaler Zusammenhang ist allerdings naheliegend: Jugendliche haben meist wenig Geld, und auch unter erwachsenen Rauchern sind diejenigen, die wenig verdienen und mehr aufs Geld schauen müssen, heute überrepräsentiert. Zudem nahm der Absatz von Zigarren, Zigarillos und Pfeifentabak in den vergangenen Jahren erkennbar zu – alle drei Produkte sind von den jüngsten Steuererhöhungen nicht betroffen.

In seiner Publikation „Tabaksteuererhöhungen und Rauchkontrolle“ ist das DKFZ dem Zusammenhang zwischen Steuern und Absatz im Detail nachgegangen. Tatsächlich war zwischen 2002 und 2005, als die Tabaksteuer merklich angezogen hatte, der Verkauf von Fabrikzigaretten besonders drastisch zurückgegangen. „Die Kurven verhalten sich geradezu spiegelbildlich“, sagt die Ärztin Martina Pötschke-Langer von der Stabstelle Krebsprävention des Heidelberger Instituts. Dort wünscht man sich etwas, was Bürger sich gemeinhin eher nicht ersehnen: nochmals drastische Steuererhöhungen. „Der Rückgang des Zigarettenkonsums wird spürbar sein, wir können unter 50 Milliarden Stück im Jahr kommen“, sagt Pötschke-Langer. Und nur ganz wenige davon werden wohl im Film geraucht werden.

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