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Etikettenschwindel: Falsche Hackfleischmischungen von Tönnies

Gegen den Fleischvermarkter Tönnies wurde am Dienstag vor dem Essener Landgericht der Prozess wegen falsch ausgezeichneter Hackmischungen eröffnet.

Essen - Die Auftritte vor laufenden Kameras ist Clemens Tönnies gewöhnt. Wenn nicht als erfolgreicher Fleisch-Unternehmer aus Rheda-Wiedenbrück, dann als Aufsichtsratschef von Schalke 04. Entsprechend gelassen ließ Tönnies am Dienstag den Rummel zum Prozessauftakt am Essener Landgericht über sich ergehen. Dann lehnte er sich zurück – und konnte einen Schlagabtausch zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft beobachten, wie es ihn nicht alle Tage gibt.

Seit mehr als vier Jahren wird gegen Europas größten Schweinefleischvermarkter ermittelt. Die Liste der ursprünglichen Anschuldigungen liest sich wie ein Streifzug durch das Strafgesetzbuch. Nachdem 2006 eine anonyme Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg eingegangen war, war schnell von Betrug und Untreue, von Bestechung und Bestechlichkeit im Hause Tönnies die Rede. Mit der Zeit aber wurde die Liste immer kürzer und dünner – bis das Landgericht Essen am Ende nur noch ein Verfahren wegen des „vorsätzlichen Inverkehrbringens von Lebensmitteln unter irreführender Bezeichnung“ eröffnete. Tönnies und seine zwölf mitangeklagten Angestellten sollen dafür verantwortlich sein, dass Millionen Packungen gemischtes Hackfleisch an Discounter verkauft wurden, die weniger Rindfleisch enthielten als angegeben.

Tönnies-Verteidiger Sven Thomas beantragte in einem mehr als einstündigen Vortrag, das Verfahren einzustellen. Und er tat dies mit solch heftigen Attacken gegen die Ermittlungsbehörden, dass es mucksmäuschenstill im Saal wurde. Vor allem die Oldenburger Staatsanwaltschaft habe eine unrühmliche Rolle gespielt. Nach Ansicht des Verteidigers hat sich die Staatsanwaltschaft von einem Anzeigenerstatter vor den Karren spannen lassen, der vorher selbst als leitender Angestellter des Tönnies-Konzerns 700 000 Euro veruntreut habe. Sie habe „einseitig und willkürlich“ ermittelt und durch Kungeleien im Hintergrund dafür gesorgt, dass die eigentlich zuständige Bielefelder Staatsanwaltschaft umgangen und stattdessen Ermittler aus Bochum eingesetzt wurden. Fazit des Verteidigers: „Die Rechtsstaatlichkeit ist in diesem Verfahren irreparabel beschädigt.“

Anklagevertreter Gerrit Gabriel wies die Attacken zurück: „Dieser Vortrag ist nicht neu. Wir waren von Anfang an um größtmögliche Objektivität bemüht.“ Neben der Einstellung des Prozesses beantragte Thomas, das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, damit dieser kläre, ob die Etikettierung der Hackfleisch-Packungen nicht doch im Einklang mit den Richtlinien erfolgt sei. (dpa)

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