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Eurovision Song Contest: Triumph der Ballade

Beim Eurovision Song Contest war alles dabei - schrille Glitzernummern, folkloristischer Pop und Hardrock-Gitarrensounds. Gewonnen jedoch hat eine herzergreifende Ballade. Für Roger Cicero reichte es trotz einem guten Auftritt nur für einen der hinteren Plätze.

Frankfurt - Die 22-jährige Serbin Marija Serifovic verwies mit ihrem Lied "Molitva" ("Gebet") die 23 Konkurrenten auf die Plätze. Für die deutschen Grand-Prix-Fans zahlte sich das Daumendrücken nicht aus: Roger Cicero landete mit "Frauen regier'n die Welt" nur auf einem enttäuschenden 19. Platz. Dabei hatte der Swingsänger eine überzeugende Show abgeliefert.

Am stilechten weißen Anzug mit weißem Hut hat es sicher nicht gelegen. Denn obwohl Länder wie Mazedonien, Schweden oder Weißrussland wahlweise auf viel Bein bei den Frauen oder halbnackte Oberkörper bei den Männern setzten, kam auch die Siegerin Marija Serifovic im schwarzen Hosenanzug ganz ohne Glamour aus. 268 Punkte räumte sie bei der europaweiten Telefon- und SMS-Abstimmung ab.

Sternenkostüm und Schuluniform

Umso prunkvoller ging es bei der Ukraine zu: Verka Serduchka alias Andrej Danilko strapazierte das Auge mit einem skurrilen silbernen Sternenkostüm und das Hirn mit sinnfreien Zeilen wie "Sieben, sieben, ailulu - sieben, sieben, eins, zwei" zu bizarren Polka-Rock-Klängen. Dagegen setzte Russland auf eine Casting-Mädchenband im koketten Schuluniformen-Look und typischem Britney-Spears-Sound. Frankreich, erstmals nicht mit einem schwermütigen Chanson, sondern mit einer rockig-punkigen Parodie auf die französischen Klischees an den Start gegangen, landete trotz schriller Kostüme in pink und schwarz nur auf dem drittletzten Platz.

Beleidigende Demokratie

Eingefleischte Grand-Prix-Freunde fangen angesichts solcher Auftritte gerne an, den Verfall des geschmackvollen Liedgutes und den Verrat an der Idee des Grand Prix zu beklagen. Allerdings war der Gesangswettbewerb schon immer für Provokationen und Überraschungen gut. So etwa Udo Jürgens Mitte der 60er Jahre oder Abba, als sie 1974 mit "Waterloo" den guten alten Chanson endgültig begruben - bis hin zu den finnischen Gruselrockern von "Lordi" im vergangenen Jahr.

Kaum war die Abstimmung in Helsinki vorbei, wurde auch schon laut über die Punktevergabe unter den osteuropäischen Ländern gemäkelt. "Es gibt da Seilschaften", stimmte Deutsch-Rocker Heinz-Rudolf Kunze in den Tenor der deutschen Grand-Prix-Experten ein. Die Ostländer schustern sich gegenseitig die Punkte zu, so der unverhohlene Vorwurf. Unter den zehn Bestplatzierten sind diesmal alleine sieben Länder des ehemaligen Ostblocks. Das habe der hervorragende deutsche Titel nicht verdient, hieß es nach der Show. "Es gab keinen Beitrag, der musikalisch an Roger rangereicht hat", befand Kunze. Und so war es, wie jedes Jahr beim Grand Prix. Obwohl kaum ein Wettbewerb demokratischer entschieden wird, sind die meisten hinterher beleidigt. (Von Katharina Becker, AFP)

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