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Panorama: Expo 2000: Kunst auf Knopfdruck

Portugal ist langweilig. Die Besucher hocken auf Papphockern und lassen den tausendundersten Film, der - natürlich wunderschöne - Landschaft herzeigt, an sich vorüberfließen - in diesem Fall im Breit-Breitwand-Format.

Portugal ist langweilig. Die Besucher hocken auf Papphockern und lassen den tausendundersten Film, der - natürlich wunderschöne - Landschaft herzeigt, an sich vorüberfließen - in diesem Fall im Breit-Breitwand-Format. Portugal ist spannend, aber das verpasst man leicht. Rechts neben dem Bücherregal (Pessoa rauf und runter) hängt ein Automat, der nach Einwurf einer Münze, die nebenan für zehn Mark zu kaufen ist, weder Kondome noch Kaugummis freigibt, sondern: Kunst. Die Idee nennt sich "microart". Nach kurzem Rumpeln rutscht unten eine Zigarettenbox aus dem Schacht. Wir haben Glück und bekommen als Gegenwert gleich 16 Bildchen der Fotografin Catia Serrao aus Lissabon. Sie zeigen aus Draht gebogene Wörter, deren geschwungene Linien zum Beispiel "Photomontage" sagen oder "291" oder "Carte de Visite". Catia Serrao hat sich nach eigenem Bekunden für ihre Arbeiten anregen lassen von Jose Maria Eca de Queiroz, der in Portugal als wichtigster Romancier des 19. Jahrhunderts gehandelt wird. Die äußerst freundliche junge Mann, der für die Besucherbetreuung zuständig ist, überschlägt sich fast vor Eifer, Informationen über Catia Serrao und die Quelle ihrer Inspiration herbeizuschaffen. Mit dem Kunstpaketchen in der Umhängetasche wollen wir nach Estland weiterwandern, bleiben aber an der strategisch äußerst intelligent platzierten Süßigkeitentheke hängen. Eingedenk der Tatsache, dass Kunst nicht satt macht, kommen wir nicht umhin, ein paar der cremegefüllten Törtchen mit auf den beschwerlichen Weg ins Baltikum zu nehmen.

Arne Boecker

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