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Panorama: Expo 2000: Öko-Tech und Blasmusik - Die Volksfeststimmung beim Expo-Start übertönt die Kritiker - zu Recht? (Kommentar)

Volksfeststimmung und Faszination sind ansteckend. Da dürfen Anspruchsvolle ruhig spotten, die Expo habe nicht viel mehr zu bieten als vorne Öko-Hightech und hinten Lederhosen - einen eher biederen Querschnitt, wie die Bundesrepublik halt so sei.

Volksfeststimmung und Faszination sind ansteckend. Da dürfen Anspruchsvolle ruhig spotten, die Expo habe nicht viel mehr zu bieten als vorne Öko-Hightech und hinten Lederhosen - einen eher biederen Querschnitt, wie die Bundesrepublik halt so sei. Doch nie zuvor in den rund zehn Jahren seit Beginn der Planungen für die erste Weltausstellung in Deutschland waren die Kritiker und Bedenkenträger so klar in der Defensive wie nach der Eröffnungsfeier und dem ersten Besuchstag. Der globale Jahrmarkt begeistert seine Besucher. Und öffnet, vielleicht, die Gemüter für eine etwas gelassenere Betrachtung von Aufwand und Kosten.

Lohnen sich drei Milliarden D-Mark Investitionen, davon ein Großteil aus öffentlichen Mitteln? Werden die erwarteten Zuschauermassen kommen oder bleibt Hannover am Ende auf hohen Schulden sitzen wie Sevilla 1992? So wichtig eine seriöse Kalkulation ist, eine "schwarze Null" am Ende der 153 Tage kann nicht der einzige, auch nicht der ausschlaggebende Maßstab für Erfolg sein. Die Expo ist eine Bühne, auf der Deutschland sich zehn Jahre nach der Einheit der Welt präsentiert: seine politische, seine ökonomische, seine kulturelle Verfassung - sein Gemütszustand. Lebenslust oder Zukunftsangst, Vertrauen in die eigenen Kräfte und die des europäischen Kontinents oder Furcht vor der Globalisierung?

Was also dürfen die Deutschen von der Expo erwarten? Ökonomisch muss den hohen Investitionen ein fairer Nutzen gegenüberstehen: für die lokale Wirtschaft, für Deutschlands Exportindustrie, durch Anregung zu noch effizienteren Lösungen für technische und Management-Probleme. Die teuren Verkehrsprojekte rund um Hannover, die im Zuge der Einheit sowieso anstanden, sollte man aber nicht als Expo-Kosten verbuchen. Und nicht zu viel sofort messbare Wirkungen auf den Außenhandel erwarten. Schon vor der Expo stellte Deutschland Jahr für Jahr neue Rekorde auf. Weltausstellungen sind auch nicht mehr, wie im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, das Forum, um die eigenen Muskeln zu zeigen und die Konkurrenz zu beeindrucken: die dicksten Kanonen, stärksten Autos und Nutzfahrzeuge, der leistungsfähigste Generator. Wenn die Welt ihren Glauben an die deutsche Wettbewerbsfähigkeit behält und die verzagten Deutschen ihn zurückgewinnen, ist viel erreicht.

Politisch sollte die Expo zeigen, wie offen die Bundesrepublik mit anderen Völkern und Staaten umgeht, ihren Angeboten, aber auch ihrer Suche nach Rat und Hilfe. Wenn die Begegnung in Hannover fremden Gästen hilft, das vereinigte Deutschland als ein weltoffenes Land wahrzunehmen, und den Deutschen Mut macht, souveräner mit den Chancen von Zuwanderung umzugehen, aber auch ihre Grenzen zu benennen und ein entsprechendes Zuwanderungsgesetz zu machen, hat sich die Expo politisch gelohnt.

Sie darf aber auch einfach Spaß machen. So wie die Reichstagsverhüllung den Berlinern 1995 einen unvergesslichen Sommer bescherte, allen Skeptikern zum Trotz. Wenn viele Deutsche das Jahr 2000 dank der Expo als ein besonderes Jahr in Erinnerung behalten, auch dann darf man über einige Defizite hinwegsehen und sie als Erfolg verbuchen.

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