zum Hauptinhalt

Fall Marco W.: Im Zweifel gegen den Anwalt

Die Verteidiger von Marco W. streiten sich in aller Öffentlichkeit – die Familie feuerte jetzt zwei von ihnen.

Der Fall des in der Türkei inhaftierten Schülers Marco W. gerät zur Schlammschlacht seiner Anwälte. Zwei deutsche Verteidiger des Jungen wurden von der Familie Marcos gefeuert, wie ein dritter Anwalt, Matthias Waldraff, am Donnerstag sagte. Nach den Worten Waldraffs trennten sich Marcos Eltern von den beiden Juristen Jürgen Schmidt und Nikolaus Walther, weil sie die Interessen des Angeklagten nicht berücksichtigt hätten. Schmidt hatte zuvor dem türkischen Anwalt des mutmaßlichen Missbrauchsopfers Charlotte vorgeworfen, vor Gericht gelogen zu haben, bevor der Richter die Verlängerung der U-Haft für den 17-jährigen angeordnet habe. Charlottes Anwalt Ömer Aycan wies die Vorwürfe im Gespräch mit dem Tagesspiegel zurück.

Marco sitzt seit April im südtürkischen Antalya in Untersuchungshaft, weil er die 13-jährige Charlotte M. aus Manchester in einem Hotel sexuell missbraucht haben soll. Der Realschüler aus Niedersachsen weist die Vorwürfe zurück. Vergangene Woche hatte Charlottes Anwalt Aycan berichtet, das Mädchen habe in seiner in Großbritannien aufgenommenen Aussage zu Protokoll gegeben, es sei von Marco vergewaltigt worden. Möglicherweise trug das zur Entscheidung des Gerichts bei, die U-Haft für Marco zu verlängern.

Marcos bisheriger Anwalt Schmidt bezichtigte jetzt Aycan der Lüge. Das zuständige britische Gericht habe bestätigt, dass die Befragung noch nicht stattgefunden habe. Es gebe noch nicht einmal einen Termin dafür. Offenbar war aber diese öffentliche Erklärung Schmidts ein Grund dafür, dass er und sein Kollege Walther gefeuert wurden. Der verbliebene deutsche Anwalt Waldraff sagte, Schmidt habe die Information ohne vorherige Absprache veröffentlicht. „Aus taktisch-strategischen Erwägungen wollen wir das nicht in der Öffentlichkeit haben“, sagte Rechtsanwalt Waldraff. Die Gegenseite solle auf die Arbeit der Verteidigung keine Hinweise bekommen. „Es ist in hohem Maße bedauerlich, dass die Kollegen aus Uelzen die Interessen Marcos nicht berücksichtigen“, kritisierte Waldraff laut dpa.

Es sei bedauerlich, dass man sich zu dem Sachverhalt jetzt öffentlich äußern müsse, sagte Waldraff. Die Abgabe des Mandats sollte „eigentlich ganz leise“ vonstattengehen. Es gehe schließlich um das Schicksal von Marco und nicht um verletzte Eitelkeiten, fügte Waldraff mit Blick auf die umstrittene Erklärung der Uelzener Anwälte hinzu, aus der die Uelzener „Allgemeine Zeitung“ zitiert hatte.

Schmidt hatte gestern bestätigt, dass er kein Mandat mehr habe, verweigerte aber jeden weiteren Kommentar. Die Information, dass die Eltern Marcos ihm das Mandat entzogen haben, stammt von dem Anwalt Waldraff, der die Familie weiterhin vertritt.

In Antalya sagte Charlottes Anwalt Aycan, Charlotte habe sehr wohl eine Aussage gemacht. Das Mädchen sei an drei aufeinanderfolgenden Tagen – vom 27. bis zum 29. September – vernommen worden. Am 27. September, dem Tag vor der jüngsten Verhandlung im Fall Marco W. vor dem Schwurgericht Antalya, hatte Ömer den Vergewaltigungsvorwurf Charlottes publik gemacht. Die Aussagen des Mädchens seien nicht nur schriftlich, sondern auch per Video aufgenommen worden, sagte Aycan nun. Er werde alle Unterlagen und Videobänder dem Gericht überreichen. Der Prozess soll am 26. Oktober fortgesetzt werden.

Aycan warf den deutschen Anwälten vor, sie würden diese Anschuldigungen verbreiten, weil sie bemerkten, dass die Unterstützung für Marco in der deutschen Öffentlichkeit nachlasse. Zudem gebe selbst die Verteidigung in dem Fall inzwischen zu, dass ihr Mandant nicht unschuldig sei. „Deshalb werfen sie mit Dreck“, sagte Aycan.

Unterdessen bemüht sich Marcos türkischer Anwalt Mehmet Iplikcioglu in Antalya um eine vorzeitige Entlassung des deutschen Schülers aus der Untersuchungshaft. Iplikcioglu legte am Mittwoch bei einer anderen Kammer des Schwurgerichts in Antalya mit einem siebenseitigen Schreiben Einspruch gegen die Verlängerung der U-Haft ein. Nach seinen Worten ergeht die Entscheidung in solchen Fällen normalerweise innerhalb von drei Arbeitstagen. Wenn das Gericht seinem Antrag stattgebe, werde Marco umgehend auf freien Fuß gesetzt.

Wenn.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false