zum Hauptinhalt
301518_0_1ec95c08.jpg

© Polizei Eschwege

Fauna: Rückkehr der wilden Tiere

Lange waren sie verdrängt, jetzt fühlen sich Elch, Wolf, Luchs und Biber in Deutschland wieder heimisch.

Das Warten in der Dämmerung hat sich gelohnt. In einem alten Arm der Elbe bei Dannenberg plätschert es an der Wasseroberfläche. Ein Biber taucht auf, schwimmt auf einen am Ufer liegenden Baum zu und verschwindet im Gestrüpp der Zweige. Nach 200 Jahren sind die bis zu 1,30 Meter großen und an die 30 Kilogramm schweren Nager ins niedersächsische Wendland zurückgekehrt. Einige Dutzend Biber sollen inzwischen wieder an den nicht begradigten Abschnitten der Elbe, an ihren Altarmen und an Nebenflüssen wie Jeetzel und Seege ihre Burgen bauen, berichten Naturschützer aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg.

Doch nicht nur „Meister Bockert“ fühlt sich in Deutschland wieder heimisch. Immer mehr Wildtiere, die ausgerottet oder verdrängt waren, sind in den vergangenen Jahren zurückgekehrt. Durch den Harz und den Bayerischen Wald streifen wieder Luchse, im Solling und im Schwarzwald sind Wildkatzen unterwegs. Wolfsrudel leben in Brandenburg und Sachsen, ein Wolfsrüde wurde jüngst auch im Reinhardswald an der Weser gesichtet. Über Thüringen und Hessen ist in dieser Woche ein veritabler Elchbulle nach Niedersachsen eingewandert, das Tier ist wohl auf der Suche nach einer Paarungspartnerin, vermutet der Göttinger Wildbiologe Ferdinand Rühe.

Einige Wildtierarten wurden auch gezielt wieder angesiedelt. Im Harz haben Mitarbeiter des Nationalparks seit 1999 einige Dutzend Luchse ausgesetzt. Die scheuen Raubkatzen mit den Pinselohren haben sich in dem Mittelgebirge gut eingewöhnt und ihre Streifzüge bis nach Thüringen und Sachsen-Anhalt ausgedehnt, sagt der Luchsexperte des Nationalparks, Ole Anders.

Biber, Wildkatzen, Wölfe und Elche kamen dagegen auf eigene Faust. Die noch vor einigen Jahrzehnten praktisch ausgerotteten Wildkatzen breiteten sich zuletzt im Harz, im Kyffhäuser und im Schwarzwald aus. Experten schätzen ihre Zahl auf bis zu 500 Tiere. Die Wölfe wandern auf jahrhundertealten Wildtierpfaden von Osteuropa zu uns, sagen Fachleute. Der inzwischen verstorbene Wolfsforscher Erik Zimen hatte bereits vor Jahren vorhergesagt, dass Wölfe und Elche bald ihre alten Wanderwege wieder entdecken werden.

Allen Rückkehrern ist gemeinsam, dass sie zumindest in Teilen Deutschlands heute so gute Lebensbedingungen vorfinden, wie es sie zuvor lange Zeit nicht gab. In einigen Mittelgebirgen, an der Elbe und entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze wurden große zusammenhängende Flächen als Nationalparks oder Biosphärenreservate ausgewiesen. Weitere Gebiete stehen unter Naturschutz. Auch der Elch kommt hier ganz gut zurecht, weiß Wildbiologe Rühe. Nahrungskonkurrenten oder Tiere, die ihm gefährlich werden könnten, gebe es hierzulande nicht.

Naturschützern gehen die aktuellen Maßnahmen zum Schutz der Wildtiere dennoch nicht weit genug, sie verlangen von Bund und Ländern größere Anstrengungen. Dringend erforderlich sei etwa ein bundesweiter Verbund naturnaher Biotope, um die langfristige Wiederansiedlung von Wildtieren zu ermöglichen, fordert der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland. Der Umweltverband WWF will, dass Schutzgebiete nicht länger durch Straßen und Eisenbahnschienen durchschnitten werden.

Die Verkehrsplanung müsse auf die Bedürfnisse der Wildtiere abgestimmt werden, sagen auch Artenschützer im Bundesamt für Naturschutz. Für Rothirsche, Wildschweine, Wölfe, Wildkatzen und Luchse müsse es Korridore geben. Autobahn- und Eisenbahnbrücken sollten begrünt und den Tieren für ihre Wanderung angeboten werden.

Verändert hat sich aber auch die Aufnahmebereitschaft der Menschen. Wurde der letzte wild lebende Luchs im Harz vor rund hundert Jahren noch von mehreren Dorfgemeinschaften in einer tagelangen Jagd zu Tode gehetzt, so sehen die meisten Harzer und vor allem die Touristen die Luchse heute als Bereicherung. Einige Landwirte, deren Schafe von den Raubkatzen gerissen wurden, bekamen rasch Entschädigung. Selbst die zunächst skeptischen Jäger tragen das Auswilderungsprogramm inzwischen mit.

Allerdings stößt die neue Tierliebe noch auf Grenzen. Obwohl sie ganzjährig Schonzeit genießen, wurden schon mehrere Wölfe von übereifrigen Jagdleuten erschossen. Dasselbe Schicksal ereilte bekanntlich den berühmt gewordenen Braunbären Bruno, der im Sommer 2006 nach Bayern einwanderte und flugs zum „Problembär“ erklärt wurde. Immerhin können Interessierte im Münchner Museum Mensch und Natur nun eine Dermoplastik von Bruno bestaunen.

Außer dem Zuzug der lange verschwundenen Wildtiere beobachteten Biologen zuletzt noch ein anderes Phänomen: Das Wild verlässt die Wälder und siedelt sich immer häufiger in den Städten an. Wildschweine und Füchse, Falken und Uhus zieht es in Stadtparks oder Hinterhöfe, weil es sich dort leichter jagen lässt. Die Menschen werden von diesen Tieren offenbar kaum noch als Feinde betrachtet. In Berlin etwa lebt der Waschbär „Alex“ seit über einem Jahr in der Tiefgarage des Hotels Park Inn am Alexanderplatz. Und Wildschweinrotten sind nicht nur eine Plage in vielen südniedersächsischen Dörfern, sondern tummeln sich auch in vielen Berliner Bezirken. Sie suhlen sich in Privatgärten und öffentlichen Parks, auf Spiel- und Sportplätzen. Von neugierigen Menschen lassen sie sich meist nicht weiter stören.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false