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Panorama: "Feiert, wie es sich für einen Meister geziemt!"

ROTTERDAM/BERLIN .Es sollte ein feierlicher Abend werden.

ROTTERDAM/BERLIN .Es sollte ein feierlicher Abend werden.Eigentlich.Mit einem 2:2 gegen den Tabellenletzten NAC Breda hatte sich Feyenoord Rotterdam zum 14.Mal in der Vereinsgeschichte den holländischen Fußball-Titel gesichert.Vor dem Rathaus und in der Innenstadt hatten sich am Sonntag abend rund 250 000 Menschen versammelt, um ihren Stars zuzujubeln.Ausgelassen stemmte Erfolgs-Coach Leo Benhakker auf dem Balkon des Rotterdamer Rathauses die frischerworbene Meisterschale in die Höhe."Feiert den Rest des Abends, so wie es sich für einen Meister geziemt", rief er der Menge zu.Gefeiert wurde dann auch, doch mündete das erst friedliche Fest in einer furchtbaren Gewaltspirale.In einer anscheinend gut geplanten Aktion begannen 150 Hooligans - gewaltbereite Fans - die Randale am Abend vor dem Rathaus anzuzetteln.Erstmals in der Geschichte gewalttätiger Ausschreitungen im Profifußball mußte sich die Polizei mit Schußwaffen zur Wehr setzen, weil die Hooligans selbst mit Pistolen feuerten.Die Bilanz des Schreckens: 16 Verletzte, darunter vier Polizisten, 80 Festnahmen.

Nur mit gezielten Schüssen vermochten sich die überraschten Polizisten die Angreifer, hauptsächlich Jugendlichen, vom Leib halten, die plötzlich auf sie einzuprügeln begannen.Vier der Fans wurden in Hals, Bauch und Beine getroffen, verletzt ins Krankenhaus eingeliefert.Als einer zu Hilfe geeilten Spezialeinheit endlich die Räumung des Coolsingles gelang, zogen die Schlägerhorden bis in die Nacht hinein randalierend und plündernd durch die angrenzende Innenstadt.

"Selbst Bestien tun so etwas nicht", erregte sich Anton Verbeek, Betreiber eines demolierten Friseursalons.Von einer Stadt im Kriegszustand schrieb am Montag die Tageszeitung Der Volks.Erst in den frühen Morgenstunden des Montags hatten die mobilen Einheiten der Polizei in Rotterdam die Situation unter Kontrolle.Der holländische Fußball-Verband zeigte sich konsterniert, schließlich soll in einem Jahr gemeinsam mit Belgien die Fußball-Europameisterschaft veranstaltet werden.

Rob de Lede, Pressesprecher des "Königlich Niederländischen Fußball-Verbands" (KNVB), erklärte: "Der Anlaß ist viel zu traurig, um die richtigen Worte zu finden.Wieder hat eine Kleinstgruppe den gesamten Fußball in Verruf gebracht." Hermann Poos, ebenfalls für die Pressearbeit im Verband zuständig, sagte dem Tagesspiegel: "Auch die Regierung muß die Verantwortung übernehmen, denn die Ausschreitungen sind nicht im Stadion, sondern auf der Straße eskaliert." Poos wies darauf hin, daß der Verband, ähnlich wie in Deutschland und Großbritannien, seit Jahren auch die Arbeit der Fan-Projekte unterstütze, so daß man die Gewalt in den Stadien in den Griff bekommen habe.Aber für die Sicherheit vor und nach dem Spiel außerhalb der Stadien könnten nicht auch noch der Verband und die Vereine verantwortlich gemacht werden.

Der Schaden der Gewaltauswüchse beläuft sich nach Polizeiangaben auf umgerechnet neun Millionen Mark.Hollands Innenminister Bram Peper, ehemaliger Bürgermeister von Rotterdam, forderte neue Gesetze, um dem Hooligan-Problem Herr zu werden und im Hinblick auf die EM 2000 grenzüberschreitende Polizei-Einsätze.Willem Veeman, Sprecher der Rotterdamer Fanklubs, sagte: "Wir hatten keine Hinweise auf eine mögliche Eskalation der Gewalt." Meistertrainer Beenhakker reagierte fassungslos: "Dabei habe ich den Fans noch zugerufen, daß unser Meistertitel erst dann ein schöner Titel sein kann, wenn in Rotterdam alles ruhig bleibt."

Die Polizei in Rotterdam sprach von einer "organisierten Aktion der Hooligans".Über das Ausmaß der Ausschreitungen gab es zunächst unterschiedliche Informationen.Zeugenaussagen zufolge sollen etwa 150 Hooligans gegen 20.30 Uhr die zu diesem Zeitpunkt vollkommen überforderte Polizei eingekreist haben.Nach Auskunft der Sicherheitskräfte hätten die Beamten zunächst Warnschüsse und danach gezielte Schüsse abgegeben.Einer von vier schwerverletzten Hooligans liegt weiter im Krankenhaus, die drei übrigen wurden entlassen und sofort verhaftet.Auch bei den Sicherheitskräften gab es Verletzte.Eine Reaktion der Europäischen Fußball-Union (UEFA) wurde für den Montag angekündigt, lag am frühen Nachmittag aber noch nicht vor.

Insgesamt 80 Verhaftungen wurden von Polizeisprecherin Anne Geelof in Rotterdam bestätigt: "Wir erleben in den Niederlanden eine neue Stufe der Gewalt." 750 Beamte waren im Einsatz.Als 150 Hooligans die Randale anzettelten, verwüsteten zur gleichen Zeit 200 andere Hooligans die Innenstadt und eröffneten das Feuer auch auf Gäste des Hilton-Hotels, die sich in Panik auf den Boden warfen.Wie durch ein Wunder blieben die Hotelgäste unverletzt, obwohl die Gewalttäter unkontrolliert um sich schossen.An den Ausschreitungen sollen nach Angaben der Polizei viele Jugendliche im Alter von zwölf bis 13 Jahren beteiligt gewesen sein.Geelof: "Das macht uns die größten Sorgen." Zeugenaussagen zufolge sollen zahlreiche Straßenbahnhaltestellen in der Rotterdamer Innenstadt von den Horden zerstört worden sein, die Scheiben des Eingangsbereiches des Hilton-Hotels wurden ebenso demoliert wie die zahlreicher angrenzender Geschäfte.THOMAS ROSER/ARMIN LEHMANN

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