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Panorama: Finanzhaie stürzen sich auf Kinder

Eine neue Welle von Betrugsfällen rollt über das Land. Opfer sind Jugendliche, Computernutzer und arglose Briefempfänger

Kinder und überschuldete Haushalte sind die neusten Zielgruppen von Finanzbetrügern. Das meldet das Deutsche Institut für Anlegerschutz (Dias). Doch nicht nur die Kleinsten und Schwächsten werden immer öfter zu Opfern leerer Versprechungen von Finanzhaien. Die Betrüger haben ihre „Vertriebskanäle“ ausgeweitet: Sie bedrängen Verbraucher per Post, an der Haustür und natürlich per Internet – wer an die leeren Versprechungen glaubt, der zahlt reichlich Lehrgeld.

„So etwas Perfides habe ich in meiner 20-jährigen Tätigkeit als Verbraucherschützer noch nicht erlebt“, sagt Dias-Vorstand Volker Pietsch. Arglosen Eltern, die sich um die finanzielle Zukunft ihres Nachwuchses sorgen, bieten betrügerische Unternehmer „Kinderkonten“ an. Bei einer Anlage von 50 Euro versprechen sie innerhalb von zwölf Jahren ein kleines Vermögen von fast 140 000 Euro. Diesen enormen Gewinn sollen so genannte Tradinggeschäfte ermöglichen. Doch womit da gehandelt wird, weiß so genau niemand. Und: Bei einer derartigen „Verzinsung“ des Kapitals ist auch bei echten Börsengeschäften das Risiko des Totalverlustes enorm. Das ist eine Binsenweisheit – und deshalb warnen die Verbraucherschützer: „Hände weg von solchen Produkten“, so Pietsch.

Auch überschuldete Haushalte sind bei den schwarzen Schafen der Anlagebranche beliebte „Kunden“. Der bayerische Verein für Existenzsicherung betreut mehrere Dutzend Opfer so genannter „Schuldenregulierer“. Diese versprechen die Übernahme der Schulden gegen eine einmalige Gebühr von rund 2000 Euro sowie kleinere monatliche Überweisungen. Doch nachdem sie das Geld kassiert haben, tauchen sie unter und lassen den Schuldner allein zurück.

Die Masche ist immer dieselbe: Kredite werden angeboten, dafür Gebühren kassiert, dann aber nicht ausgezahlt. Kunden werben die aggressiven Finanzhaie in allen Gesellschaftsschichten. Briefe werden sogar auf Verdacht losgeschickt. Im Schreiben einer „Credit-Vermittlungsgesellschaft“ heißt es: „Leider konnte die gewünschte Auszahlung ihrer Bargeld-Anforderung nicht ausgeführt werden, da Sie uns den Darlehensvermittlungsvertrag nicht zurückgeschickt hatten.“ Dabei hatte der Empfänger mit der Kreditfirma nie gesprochen und ein Darlehen weder gewünscht noch gebraucht.

Auch im Internet nimmt die Zahl der Gaunereien rasant zu. Ein unglaubliches Angebot unterbreitet der Londoner Rechtsanwalt Barrister Paul Williams in seiner Mail: Für die Bereitstellung eines deutschen Kontos verspricht Williams dem Empfänger des Schreibens einen Anteil von 40 Prozent am Vermögen des verstorbenen Deutschen Andreas Shranners. Der frühere Shell-Manager habe 33,5 Millionen Euro hinterlassen und Williams vergeblich nach Erben gesucht. Damit die Millionen nicht an den Staat fallen, so der Rechtsanwalt, habe er persönlich den Empfänger seiner Mail ausgewählt: „Denn es ist ein für beide Seiten lukratives Geschäft.“

Der Haken an dem verlockenden Angebot: „Nichts von alldem existiert: Das Geld gibt es nicht, den Rechtsanwalt nicht und auch keinen verstorbenen Mandanten“, sagt Michael Schultz, Dezernatsleiter Internetkriminalität beim Landeskriminalamt Berlin. Nur der Link in der Mail funktioniert: Der leitet zur Website des Nachrichtensenders BBC weiter und dort zum Bericht über den Todesfall eines deutschen Managers. Diese falsche Fährte, das viele Geld und die verbindliche Mail überzeugen oft die Empfänger. Dann tappen sie in die Falle von weltweit operierenden Internet-Kriminellen. In diesem Fall ist es die „Nigeria-Connection“.

Deren Geschäft boomt. Mails wie diese werden jährlich zu hunderttausenden versandt. Dazu bedienen sich die Täter häufig gekaperter Computer unbeteiligter Surfer. Gehen diese ins Netz, dann verschicken Viren hinter dem Rücken des Computerbesitzers die betrügerischen Mails. Deshalb sind die Drahtzieher der Nigeria-Connection fast nie zu fassen. Um der elektronischen Abzocke beizukommen, hat die Kripo in Berlin, wie in fast allen anderen Bundesländern auch, ein eigenes Kommissariat eingerichtet. Denn die Online-Betrüger sind kreativ: Sie treiben auch auf Internet-Auktionen ihr Unwesen. Dort stieg die Zahl der zur Anzeige gebrachten Warenbetrügereien im vergangenen Jahr um rund 40 Prozent.

Oft liegen die angebotenen Geschäfte angeblich am Rande der Legalität. Das erhöht die Hemmschwelle der Opfer, zur Polizei zu gehen. Zum Beispiel der Trick mit dem Erwerb von Geldscheinen. Die Betrüger behaupten, die Banknoten stammten aus einem längst geklärten Entführungsfall, seien jedoch mit Farbe markiert. Um die Markierung zu entfernen, bräuchten sie eine spezielle, ausschließlich in Deutschland erhältliche Chemikalie. Die sei teuer. Deshalb müsse der „Geschäftspartner“ Bares beisteuern. Das „gewaschene“ Geld werde man anschließend miteinander teilen. Doch sobald das Opfer gezahlt hat, verschwinden die Täter.

Alle Internet-Betrüger haben dasselbe Ziel: Sie wollen an das Geld der Surfer. Damit diese ihr Erspartes überweisen, wird ihnen das Geschäft ihres Lebens versprochen. Große Teile von Erbschaften oder Barschaften, Sportwagen weit unter Listenpreis oder der Plasma-Fernseher für ein paar hundert Euro zum Beispiel. Um ins Geschäft zu kommen, müssen die Opfer jedoch erst einmal zahlen. Und das ist nach Auffassung der Berliner Kripo ein Hinweis darauf, dass etwas faul ist: „Wenn Vorkasse verlangt wird, sollte man grundsätzlich skeptisch sein“, sagt Schultz.

Was aber passiert, wenn man auf die Millionen nicht verzichten will und die Mail beantwortet? „Dann wird es rasch zu einem Treffen mit Mittelsmännern kommen“, sagt Kripo-Mann Schultz. Diese spulen dann „den alten Vertretertrick ab“: Die Geschichte vom reichen Manager wird ausgeschmückt, Vertrauen aufgebaut – um den „Geschäftspartner“ zur ersten Barzahlung zu animieren. In einem Fall klappte das sogar so gut, dass das Opfer 300 000 Euro überwiesen hatte, bevor es den Fall zur Anzeige brachte. „Denn wer erst einmal an die Geschichte glaubt, der will nicht so kurz vor dem Ziel aufgeben“, sagt Kripo-Mann Schultz. Auch wenn dieses Ziel in Wirklichkeit unerreichbar ist.

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