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Fleischskandal: "Nur die Spitze des Eisbergs"

Angesichts der Fleischskandale haben Politik, Verbraucherschützer und Bauernverband drastische Konsequenzen gefordert. Der neue Landwirtschaftsminister Horst Seehofer will für bessere Koordination der Kontrollen sorgen.

Hamburg/Berlin - «Für die kommende Woche sind die betroffenen Länder und das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu einem Treffen eingeladen», sagte Seehofers Sprecher Andreas Schulze am Donnerstag in Berlin. Ziel des Treffens sei es auszuloten, wie die Koordinierung und der Informationsfluss verbessert werden könnten. Der Deutsche Bauernverband hat sich im Kampf gegen den Handel mit verdorbenem Fleisch für eine schnelle Ermittlungsgruppe ausgesprochen. Der Bundesverband Verbraucherzentrale verlangte, «Ross und Reiter», also die betroffenen Betriebe, zu nennen, damit Verbraucher auf Verstöße reagieren könnten.

«Der wichtigste Punkt ist, dass die Wirtschaft zu einem Selbstkontrollsystem findet, um solche Machenschaften zu unterbinden», sagte Seehofers Sprecher. Eine öffentliche Nennung von Betrieben, die im Zusammenhang mit verdorbenem Fleisch stehen, sei derzeit nicht möglich. Dafür sei das Gesetz zur Informationsfreiheit notwendig. Es soll Anfang nächsten Jahres in Kraft treten.

Der Vorsitzende des Fachausschusses Vieh und Fleisch im Bauernverband, Franz-Josef Möllers, sagte am Donnerstag dem Sender NDR info: «Ich glaube, wir müssen so etwas wie eine Task Force haben. Ganz ausgeschlafene Jungs, die förmlich riechen, wo was zum Himmel stinkt, und sofort den Laden schließen.» Er sei «so etwas von sauer», dass die gesamte Branche unter dem Skandal zu leiden habe. «Trotzdem glaube ich daran, dass es Einzelfälle sind», sagte Möllers.

«Das ist nur die Spitze des Eisberges», sagte dagegen die Chefin des Bundesverbands Verbraucherzentrale, Edda Müller, im ZDF-Morgenmagazin. Nötig sei mehr Transparenz für Verbraucher. Die bisherigen Fälle seien durch Zufall, nicht durch reguläre Kontrollen entdeckt worden.

Die jüngsten Skandale in der Fleischindustrie setzen nach Einschätzung der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) wegen Umsatzrückgängen viele Arbeitsplätze aufs Spiel. «Solche Gangster bringen nicht nur eine ganze Branche in Verruf, sie gefährden auch aktiv die bestehenden Arbeitsplätze», sagte der Vorsitzende der NGG Hessen/Rheinland-Pfalz/Saar, Gerhard Herbst.

Die CDU-Verbraucherpolitikerin Ursula Heinen regte in der «Berliner Zeitung» (Donnerstag) eine Art Kronzeugenregelung für Mitarbeiter betroffener Unternehmen an. «Der Staat muss seine Informanten schützen.» Bisher müssen Angestellte, die Behörden über Missstände in ihren Betrieben informieren, laut Bericht mit Kündigung rechnen. Die Grünen im Bundestag halten die geplanten Maßnahmen Seehofers nicht für wirksam. «Das Problem der mafiösen Fleischschiebereien ist mit der von Seehofer vorgeschlagenen Meldepflicht wohl nicht zu lösen», sagte Grünen- Verbraucherpolitikerin Ulrike Höfken. Die FDP-Bundestagsfraktion forderte eine harte Bestrafung der «Schwarzen Schafe». Allerdings dürfe das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden. Eine Skandalisierung der gesamten Ernährungsbranche gehe an den Tatsachen vorbei.

Behörden suchen inzwischen in mehreren Bundesländern nach verdorbenem Fleisch. Der Lebensmittelskandal war ans Licht gekommen, als Ende vergangener Woche in einem Großbetrieb in Gelsenkirchen 60 Tonnen möglicherweise verdorbenes Fleisch sichergestellt wurden. Der 39 Jahre alte Gelsenkirchener Großhändler steht im Verdacht, in großem Stil zu lange gelagertes Fleisch als Frischfleisch umetikettiert und weiterverkauft zu haben. (tso/dpa)

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