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Endlich in Sicherheit: Flüchtlinge auf dem Schiff "Ezadeen".

© Reuters

Update

Flüchtlinge im Mittelmeer: Flüchtlingsschiff "Ezadeen" erreicht Hafen in Süditalien

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage rettet Italiens Küstenwache im Mittelmeer Hunderte Flüchtlinge von einem Frachter ohne Besatzung. Grenzschützer sprechen von „einem neuen Grad der Grausamkeit“. Amnesty fordert sichere Fluchtwege für Asylsuchende.

Italiens Küstenwache hat erneut Hunderten Flüchtlingen von einem führerlosen Frachter im Mittelmeer gerettet. Die Einsatzkräfte brachten die unter der Flagge Sierra Leones fahrende „Ezadeen“ am Freitag nach eigenen Angaben unter Kontrolle. Das Schiff mit etwa 360 Migranten an Bord, unter ihnen viele Kinder und schwangere Frauen, stammen überwiegend aus Syrien. Sie konnten am frühen Samstagmorgen im kalabrischen Corigiliano Calabro den Frachter „Ezadeen“ verlassen. Die Menschen wurden medizinisch betreut und danach in Aufnahmelager gebracht, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete.

Es ist bereits das zweite Mal innerhalb weniger Tage, dass ein Flüchtlingsschiff ohne Besatzung vor der Küste des Landes im Mittelmeer entdeckt wurde.

Das Phänomen der „Geisterschiffe“ im Mittelmeer, die ohne Besatzung und vollgepfercht mit Flüchtlingen ihrem Schicksal überlassen werden, zeigt nach Ansicht der EU-Grenzschutzagentur Frontex einen „neuen Grad der Grausamkeit“. „Das ist eine neue Erscheinung dieses Winters“, sagte Pressesprecherin Ewa Moncure in Warschau. Der Schmuggel von Flüchtlingen sei ein „Multimillionengeschäft“. Für die Schmuggler lohne sich die Rechnung, wenn ein bereits ausgemustertes Schiff ohne Crew und Treibstoff auf dem Meer zurückgelassen werde.

Die „Ezadeen“ sollte laut Nachrichtenagentur Ansa von einem isländischen Schiff der EU-Grenzschutzmission „Triton“ abgeschleppt werden. Der Frachter trieb manövrierunfähig auf die Küste Italiens zu, nachdem ihm der Sprit ausgegangen war. Den Flüchtlingen sei es gelungen, einen Notruf abzusetzen, woraufhin Italiens Küstenwache am Donnerstagabend einen Rettungseinsatz startete.

Ein Hubschrauber der Küstenwache brachte mehrere Einsatzkräfte an Bord des Schiffes, darunter auch einige Ärzte. Der 1966 gebaute Frachter ist normalerweise für Viehtransporte vorgesehen und sollte den französischen Mittelmeerhafen Sète ansteuern. Nach Angaben des Schiffsinformationsdienstes MarineTraffic war der letzte bekannte Hafen, in dem der Frachter Mitte Dezember angelegt hatte, Famagusta in Nordzypern. Als vorheriger Hafen wurde Tartus in Syrien angegeben.

Erst in der Nacht zum Mittwoch waren fast 800 Bootsflüchtlinge auf einem führerlosem Frachter vor Süditalien nur knapp einer Katastrophe entgangen. Das Schiff „Blue Sky M“ hatte 796 Migranten an Bord, wie die Küstenwache zuletzt mitteilte und damit die ursprüngliche Zahl von 768 Menschen nach oben korrigierte. Der Frachter war auf die Küste zugesteuert, konnte jedoch unter Kontrolle gebracht werden. Vor zwei Wochen brachte die italienische Marine in einem ähnlichen Fall einen Frachter mit 850 Flüchtlingen nach Sizilien.

Bundesregierung sieht keinen Grund für andere Flüchtlingspolitik

Amnesty International forderte vor diesem Hintergrund erneut einen anderen Umgang mit Flüchtlingen. „Das Grundproblem bleibt, dass es für Asylsuchende keinen sicheren und legalen Weg nach Europa gibt“, sagte Amnesty-Sprecher Ferdinand Muggenthaler dem Tagesspiegel. „Wenn wir die Landgrenzen schließen, dann kommen die Menschen über das Meer. Egal wie teuer oder gefährlich das für sie sein mag.“ Er verweist darauf, dass viele der von den Booten geretteten Flüchtlingen Syrer seien, die sehr hohe Chancen auf Asyl in Europa hätten.

Auch die Partei die Linke fordert ähnliche Maßnahmen. „An den Flüchtlingstragödien im Mittelmeer hat die Europäische Union ein gehöriges Maß an Mitschuld“, erklärt die innenpolitische Sprecherin der Faktion "Die Linke" im Bundestag, Ulla Jelpke. „Das skrupellose Verhalten der Schleuserbanden steht in engem Verhältnis zu den Versuchen der EU, sich gegen Flüchtlinge abzuschotten. Durch immer dichtere Kontrollen an den Außengrenzen werden die Flüchtlinge geradezu in die Hände von Schleusern gezwungen."

Die Bundesregierung sieht jedoch durch die Flüchtlingsschiffe keinen Grund für eine Änderung. "Das beschriebene Phänomen erfordert aus Sicht der Bundesregierung gegenwärtig keinen Strategiewechsel in der europäischen Asylpolitik“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Dass Schleuser nun statt kleiner Boote vereinzelt ältere Handelsschiffe mit besserer Seetauglichkeit einsetzten, sei wohl eher ein Versuch, ihr kriminelles Geschäft auch während der Wintermonate zu betreiben. Die Gewinnspannen bei Schleuseraktionen mit größeren Schiffen seien "enorm".

Bei dem von der EU-Grenzschutzagentur Frontex koordinierten Einsatz „Triton“ vor der Küste Italiens wurden laut Innenministerium seit November 2014 etwa 13.000 Migranten aus Seenot gerettet. Zudem seien 53 Schleuser festgenommen worden. Insofern habe sich das Einsatzkonzept bewährt, sagte der Sprecher.

mit dpa/AFP

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