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Flugzeugunglück bei Überlingen: Skyguide-Lotsen bestreiten Schuld

Die Mitarbeiter der Schweizer Flugsicherung Skyguide sind in den Augen der Staatsanwaltschaft die Hauptverursacher des Flugzeugunglücks am Bodensee. Zum Prozessauftakt wiesen sie jede Schuld zurück.

Bülach - Zu Beginn des Prozesses vor dem Bezirksgericht im schweizerischen Bülach sagte der Betriebsleiter des Zürcher Kontrollzentrums: "Ich halte mich für nicht schuldig." Er bedauerte die Flugzeugkatastrophe vom 1. Juli 2002, hielt jedoch die Skyguide-Sicherheitsstandards für völlig ausreichend. Ähnlich äußerte sich ein zweiter Angeklagter von Skyguide. Sie gehören zu den acht Angestellten der Flugsicherung, die wegen fahrlässiger Tötung von 71 Menschen angeklagt sind.

Bei dem Unglück waren in elf Kilometer Höhe bei Überlingen eine Tupolew-Passagiermaschine der Bashkirian Airlines mit 69 Menschen an Bord und eine Fracht-Boeing des Kurierdienstes DHL zusammengestoßen. Skyguide kontrolliert auch den Luftraum in Süddeutschland. Die Staatsanwaltschaft hat für die Angeklagten Freiheitsstrafen zwischen 6 und 15 Monaten beantragt, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden sollen. Der Prozess findet aus Platzgründen in der Mehrzweckhalle des Ortes in der Nähe von Zürich statt.

Solo-Schicht "seit Urzeiten" üblich

Der zweite leitende Mitarbeiter äußerte sich ebenfalls überzeugt, dass bei Skyguide in der Unglücksnacht trotz Einmann-Besetzung und technischer Umbauarbeiten die Sicherheit garantiert war. Wegen der Umbauarbeiten standen Hauptradar und Telefonleitungen nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung. Dennoch sei der Luftverkehrsleiter nicht überfordert gewesen. "Das war keine außergewöhnliche Situation", betonten sie. Die nächtliche Solo-Schicht gebe es bei der Schweizer Flugsicherung "seit Urzeiten". Auf die sachlichen, aber bohrenden Fragen des Vorsitzenden Richters Rainer Hohler antworteten sie stets ohne äußerliche Regung: "Es gab keinen Anlass, an der Praxis der Einmann-Besetzung etwas zu ändern."

Der Anklage zufolge hätte das Flugzeugunglück vermieden werden können, wäre der zweite für die Schicht eingeteilte Lotse nicht in die Pause gegangen. Diese gängige Praxis verstieß gegen die Regeln, wurde aber von der Skyguide-Spitze geduldet. Die Pausenregelung sei jedoch allein Sache der Nachtschicht-Kollegen gewesen, betonten die Angeklagten. Dagegen hatte der Lotse der Katastrophennacht von extremem Stress berichtet. Zur Aufklärung vor Gericht kann er nichts mehr beitragen - er wurde im Februar 2004 von einem Hinterbliebenen erstochen, der bei dem Unglück seine Familie verloren hatte.

Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) in Braunschweig hatte in ihrem Abschlussbericht im Mai 2004 technische Mängel sowie menschliche Fehler bei Skyguide und in der russischen Unglücksmaschine als Ursachen des Zusammenstoßes genannt. Der Prozess wird an diesem Mittwoch mit dem Verhör weiterer Angeklagter fortgesetzt. Die Verhandlung soll bis zum 31. Mai dauern. Ein Termin für die Urteilsverkündung steht noch nicht fest. (tso/dpa)

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