zum Hauptinhalt
Haus der Geschichte. Das restaurierte Schlösschen derer von Ribbeck – zu DDR-Zeiten ein Altenheim – ist im Besitz des Landkreises Havelland.

© Ralf Hirschberger/picture alliance /dpa

Fontane-Gedicht: Herrn von Ribbeck gibt es auch heute

Der Nachfahre des berühmten Gutsherren ist Langstrecken-Kabinenchef bei der Lufthansa. Und freut sich über das Fontane-Jahr 2019

Wenn Fluggästen das Namensschildchen auf seiner Brusttasche mit der Gravur „C.von Ribbeck“ ins Auge fällt, sieht der Mann immer wieder in erstaunt lächelnde Gesichter: „Sie heißen ja wie der gute Herr aus dem berühmten Birnbaum-Gedicht…“ Christian von Ribbeck, Boeing-747-Kabinenchef – ein sogenannter Purser also – bei der Lufthansa, könnte in solchen Momenten antworten: „Ich heiße nicht nur so – ich bin der Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“, nur neun Generationen später. Macht er aber nicht.

Nicht viele Gedichte deutscher Sprache sind so berühmt wie das 1889 von Theodor Fontane zu Papier gebrachte rührend-romantische Poem über den gütigen und klugen Gutsherrn Hans-Georg von Ribbeck, der freundlich war zu den „Bauern und Büdnern“ und die Dorfkinder mit den Früchten seines Birnbaums beglückte, und das dank einer List – „legt mir eine Birne mit ins Grab“ – über seinen Tod anno 1759 hinaus. Selbst zu Mauerzeiten, als das Land rund um Berlin für die meisten Westdeutschen und etliche West-Berliner wenig mehr war als ein weißer Fleck auf der Landkarte, gab es wohl kaum einen Grundschüler zwischen Flensburg und Berchtesgaden, der die Reime über den „Herrn von Ribbeck auf Ribbeck“ mit lustvoll gerolltem „R“ nicht auswendig gekannt hätte.

Geboren wurde er im südlichen Afrika

Wenig sprach damals, vor der Wende, dafür, dass Christian von Ribbeck das Dorf seiner Vorfahren jemals persönlich kennenlernen würde. Er wurde im südlichen Afrika geboren, wo sein Vater für Volkswagen tätig war, als Simbabwe noch Rhodesien und dessen Hauptstadt Harare noch Salisbury hieß. Später wuchs er in Leverkusen am Rhein auf, absolvierte in Köln eine Hotelfachlehre und arbeitete ein Jahr am Empfang des Hamburger Hotels Atlantic, bis ihn dann, im Jahr 1986, „die Fliegerei rief“.

Um überhaupt auf die Idee zu kommen, nach Ribbeck zu ziehen, bedurfte es des Mauerfalls und der Vorarbeit seines Onkels Friedrich-Carl. Der frühere Thyssen-Manager aus Düsseldorf hatte noch eine Rechnung mit der deutschen Geschichte offen; sein Großvater, der Rittmeister Hans von Ribbeck, war 1944 wegen seiner allzu demonstrativen Ablehnung des Nazi-Terrors von der Gestapo im KZ Sachsenhausen eingesperrt worden und dort im Februar 1945 umgekommen.

Das Paar erwarb einen verfallenen Kutschstall

Zwar ist das 2007 restaurierte Schlösschen derer von Ribbeck – zu DDR-Zeiten ein Altenheim – längst in Besitz und Regie des Landkreises Havelland, es beherbergt als Zentrum des havelländischen Tourismus Büros, ein Restaurant, ein Standesamt, einen Festsaal, ein kleines Museum und einen Museumsshop. Doch Friedrich-Carl von Ribbeck und seine Frau Ute verliebten sich in das Dorf, das sich, an der B 5 kurz hinter der Kleinstadt Nauen, ein wenig scheu in eine sanfte Geländefalte duckt. Sie beschlossen, die fast 800-jährige Familiengeschichte an Ort und Stelle fortzusetzen. Ganz in der Nähe des „Doppeldachhauses“ aus dem Gedicht, auf dem Gelände eines verfallenen Kutschpferdestalls, bauten sie sich einen neuen Familiensitz. Ribbeck reloaded.

Beate und Christian von Ribbeck.
Beate und Christian von Ribbeck.

© privat

Weiter hinten im Dorf, noch vorbei an der kleinen Dorfkirche, in der als historische Kostbarkeit ein Baumstumpf des „Original-Birnbaums“ aufbewahrt wird, der 1911 von einem Blitzschlag gefällt worden war, kaufte Friedrich- Carl von Ribbeck die alte, aus Ziegelsteinen erbaute ehemalige Brennerei. Aus der Brennerei, deren nicht mehr genutzter Ziegel-Schornstein von Brandenburgs vielleicht höchstgelegenem bewohnten Storchennest gekrönt wird, ist mittlerweile ein Veranstaltungsort geworden, in dem Hochzeiten und Geburtstage gefeiert werden.

Edelbrände und Essigsorten im Angebot

Angestoßen auf das Wohl der Paare oder Jubilare wird mit Birnenschnaps der Marke „Herr von Ribbeck“. Es gibt den „Williams Christ Birne Edelbrand“ in kleinen und großen Abfüllungen, auf Wunsch auch in einer bauchigen Flasche „mit hineingewachsener Birne“. Auch ein breites Sortiment an Essigsorten auf Birnenbasis, von „Birne und Holunderbeere“ über „Birnenessig-Rosenbalsam“ bis zu „Birne Essigbalsam Königin Luise“, bietet der Brennerei-Schnapsladen an, dessen Leitung der gesundheitlich angeschlagene Onkel demnächst an Christian von Ribbeck und dessen Frau Beate übergeben wird.

„Wir verkaufen auch Edelbrände aus Schlehe, Mirabellen, Wildhimbeeren oder Zwetschgen“, sagt Christian von Ribbeck, der inzwischen nur noch in Teilzeit fliegt, „aber die weitaus meisten Gäste fragen nach unserem Birnenbrand.“ Dass nur die Essigsorten im eigenen Haus, die Brände hingegen nicht in Ribbeck, sondern in der Distillerie eines befreundeten Brennmeisters im Elsass hergestellt werden – „das“, sagt Christian von Ribbeck, „ist eben Globalisierung auf havelländische Art“. Ein weiterer Bestseller des Familienbetriebs ist das illustrierte Gedichtbuch „Herr von Ribbeck auf Ribbeck“, auf Wunsch mit Widmung des Hausherrn.

Vor 200 Jahren wurde Fontane in Neuruppin geboren

Besonders im Winter ist Beate von Ribbeck froh, wenn sie ihren Mann auf dem einen oder anderen mehrtägigen Umlauf mit einer B747 oder einem Airbus A340 begleiten kann. Auch sie war viele Jahre Kurzstreckenpurser bei Lufthansa. Als sie 2016 die Fliegerei aufgab, war sie bereit für den Kulturwandel: aus Wiesbaden nach Ribbeck, aus der hessischen Landeshauptstadt in das brandenburgische 300- Einwohner-Dorf knapp 50 Kilometer westlich von Berlin.

2019 ist „Fontane-Jahr“ in Brandenburg. Vor bald 200 Jahren, am 30.Dezember 1819, wurde Fontane in Neuruppin geboren. Mit Ausstellungen und Veranstaltungen wird man den Brandenburger ehren, der vom Apotheker zum Zeitungskorrespondenten, Kriegsberichterstatter, Theaterkritiker der „Vossischen Zeitung“ und schließlich zum Schriftsteller wurde.

Christian und Beate von Ribbeck tun daher sicher gut daran, in ihrer Brennerei den Vorrat an Birnenschnaps und Essigbalsam bis zum Frühjahr deutlich aufzustocken. Klar – man kann die Brände auch im Onlineshop bestellen. Aber hört man es dann auch in den Ästen des Birnbaums neben der alten Dorfkirche leise flüstern: „Wiste ’ne Beer?“

Wolfgang Weber

Zur Startseite