zum Hauptinhalt

Panorama: Frankreich: Feuer frei!

Wilder Westen in den Moorgebieten Frankreichs: Traditionell befinden sich Jäger und Naturschützer zu Beginn der Jagdsaison im Streit. In diesem Jahr allerdings haben die Auseinandersetzungen derart krasse Formen angenommen, dass sich jetzt sogar die prominente Tierschützerin Brigitte Bardot einschaltete.

Wilder Westen in den Moorgebieten Frankreichs: Traditionell befinden sich Jäger und Naturschützer zu Beginn der Jagdsaison im Streit. In diesem Jahr allerdings haben die Auseinandersetzungen derart krasse Formen angenommen, dass sich jetzt sogar die prominente Tierschützerin Brigitte Bardot einschaltete. In einem Brief forderte sie die Regierung auf, dem Treiben der Jagdfreunde ein Ende zu setzen. Was war passiert?

Im Moorgebiet von La Brière im Südwesten Frankreichs wurden in der Dämmerung der vergangenen Tage hunderte von Wasservögeln abgeschossen, darunter geschützte Arten wie Silber- und Fischreiher, Schnepfen, Gänse, Enten und Ibisse. Die Kadaver der Vögel hingen noch im Geäst des Moorwaldes, als Gendarmen das Gemetzel im Morgengrauen entdeckten. Im Verdacht standen sofort militante Gruppen der heimischen Jagdverbände, die sich seit Tagen darüber aufregen, dass die Jagdsaison auf Wasservögel laut Gerichtsbeschluss um drei Wochen nach hinten verschoben wurde, auf den 1. September. Zahlreiche Bezirksgerichte folgten damit entsprechenden Klagen von Naturschutzverbänden und hielten sich zudem an EU-Recht zum Schutz der Vögel in der Brutzeit.

Morddrohungen gegen Bürgermeister

Seitdem geht es hoch her in den ländlichen Gebieten Frankreichs. Die Jäger-Guerilla lässt ihrer Wut gegen Verwaltung und Umweltschützer freien Lauf. Sie besetzt Naturschutzämter, beschmiert Rathäuser, bei zwei Bürgermeistern gingen Morddrohungen ein. Nach dem Vogel-Massaker stehen Büros und Wohnhäuser der Vertreter von Umweltorganisationen unter Polizeischutz.

Selbst der Präsident des für das Brière-Moor zuständigen Jägerverbandes, Patrick Helbert, kann seine Kollegen nicht mehr guten Gewissens in Schutz nehmen. "Einige gehen zu weit", sagt er, "ich weiß, wer die Schuldigen sind, aber wer hier auspackt, der riskiert, dass sein Haus angezündet wird." Helbert weiß, wovon er spricht. Im vergangenen Jahr wurde das Gebiet durch zwei Brandanschläge aufgeschreckt. Ein Ornithologe, der im Moorgebiet Erkundungsfahrten per Boot organisierte, verlor dabei sein Anwesen. Nicht weit davon zerstörte ein Feuer das Verwaltungshaus des Naturschutzparks. Festgenommen wurde niemand.

Die Jäger sitzen unterdessen in ihren Jagdhütten und lassen sich nach einem ertragreichen Abend den Entenbraten schmecken. "Mein Vater war Jäger, mein Großvater auch und ich weiß deshalb seit meiner Kindheit, was gut und was schlecht ist für das Brière-Moor", sagt ein 54-Jähriger, der das Flintenmassaker rechtfertigt. Wie viele seiner Jagdkumpel hält er die Naturschützer für "ahnungslose Körnerfresser", wie er sagt, "die heute das Sammeln von Pilzen, morgen die Fischerei und übermorgen die Jagd auf Wasservögel verbieten".

Während einer Jagdsaison werden im ganzen Land 9000 Tonnen Schrotkörner verschossen. Rund 100 000 Vögel, die nicht gleich tödlich getroffen werden, sterben im Laufe eines Jahres an Bleivergiftung, weil sie die kleinen Kügelchen fressen.

Jäger-Mafia gegen Öko-Krieger

Doch die Jäger-Lobby ist stark. Bestrafen, so glaubt die linke französische Regierung, könne man die zornige Ballerei schon deshalb nicht, weil die Jäger Wähler sind. Rund 1,5 Millionen Franzosen sind Wasservogel-Jäger, 300 000 von ihnen sind organisiert, als Untergruppe des größten Jagdvereins CPNT. Der Verband mit dem Namen "Die Jagd, die Fischerei, die Natur, die Tradition" präsentiert sich neuerdings sogar als politische Partei und hat bei den Europawahlen 1999 sieben Prozent der Stimmen bekommen. Bei den bevorstehenden französischen Wahlen will CPNT-Chef Jean Saint-Josse das Europawahl-Ergebnis "deutlich überschreiten". Acht Monate vor dem Urnengang befürchtet deshalb die Linke, dass ihnen die konservativen Jäger bis zu 85 Wahlkreise abjagen könnten. Ein Grund, warum die Jospin-Regierung bislang nur wenig getan hat, den Streit zwischen "Jäger-Mafia" und "Öko-Kriegern" - so titeln die französischen Zeitungen - zu schlichten.

Es geht um Vögel und Brigitte Bardot bleibt im Bild. "Vogel-Strauß-Politik" wirft sie der rot-grünen Regierung in Paris vor, nach dem Motto: Abtauchen in der Hoffnung, die Millionen Wählerstimmen der französischen Jäger nicht zu verlieren. Die engagierte Blonde appelliert in ihrem Brief an den Innenminister, dem gesetzlosen Treiben ein Ende zu setzen. Dessen Nachname - Vaillant - ist gleichbedeutend mit "tapfer". Also schreibt die Schauspielerin: "Für jemanden mit Ihrem Namen ist es lächerlich, sich angesichts der Vorfälle als Schlappschwanz zu präsentieren."

Sabine Heimgärtner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false