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Gustl Mollath, kurz vor der Urteilsverkündung im Landgericht Regensburg.

© dpa

Freispruch für Gustl Mollath: Wir haben uns verrückt gemacht

Freispruch und Entschädigung, das war alles, was Gustl Mollath erwarten durfte. Er hat es bekommen. Dennoch war der Fall nicht der Justizskandal, als der er geschildert wurde. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Am Ende widerfährt Gustl Mollath etwas Gerechtigkeit. Ein Freispruch, eine Entschädigung für das jahrelange Wegsperren in der Psychiatrie. Das ist viel, denn Wiederaufnahmeverfahren sind eine Seltenheit; aber es ist wenig für Mollath, der sich von dem Prozess den Nachweis seiner Unschuld erwartet hat.

Eine Enttäuschung also? Ja, für alle, die in dem eigenwillig bis verbohrten, in vielerlei Hinsicht Gescheiterten irgendeine Freiheitsfigur zwischen Nelson Mandela und Che Guevara imaginiert haben, die Opfer einer politisch-privaten Großintrige geworden sein soll. Denn die Ergebnisse des Verfahrens weisen ihn als Gewalttäter aus, der fortwährend über sein Tun gelogen oder es verdrängt hat. Anhaltspunkte für die von ihm behauptete größte Schwarzgeldverschiebung aller Zeiten haben sich bis heute nicht gefunden. An Mollaths vielen und überwiegend wirren Behauptungen war etwas dran, das ist wahr - aber sie trafen nicht im Kern zu, wie beständig wiederholt wurde.

Über den Zustand, in dem Mollath sich befand, als er sich damals mit seiner Frau auseinandersetzte, kann man heute nur rätseln. Gut, soviel ist sicher, ging es ihm damals nicht. Und das dürfte nicht nur daran gelegen haben, dass ihm keiner glauben wollte. Seine Richterin hat daraus den Schluss gezogen, ihn auch von seinen Gewalttaten freizusprechen, wegen möglicher Schuldunfähigkeit, "in dubio pro reo". Das ist fair. So gesehen, hat Mollath seine - mögliche - damalige, von ihm immer wieder bestrittene Psychopathologie heute vor einer Schuldfeststellung bewahrt. Der Freigesprochene wird auch dies als Symptom einer gelenkten Justiz deuten, die ihm eins auswischen will. Ihm ist da nicht zu helfen.

Mollath ist Unrecht geschehen - aber es war kein politischer Fall

Mollath ist Unrecht geschehen, das steht fest. Vielleicht war es noch nicht die damalige Einweisung in die Psychiatrie. Sicher aber war es Unrecht, ihn daraus nicht früher entlassen zu haben. Auch wurde sein Verfahren damals nachlässig geführt, es wurden Fehler gemacht, die angesichts einer so folgenschweren Entscheidung nicht hätten passieren dürfen. Doch das Grundübel lag darin, Mollath später immer wieder eine Gefährlichkeit zu attestieren, nur weil er sich weigerte, mit den Gutachtern zu kooperieren. Im Zweifel für die Freiheit, müsste es hier eigentlich heißen. Aber im Alltag der forensischen Psychiatrien gilt noch viel zu oft das Gegenteil. Dies beschreibt die politische Seite seines Falls. Aber sie macht aus ihm noch keinen politischen Fall. Dass er dennoch einer werden konnte, mit Einfluss bis in die bayerische Landtagswahl, liegt an etwas anderem. Wir haben uns verrückt machen lassen.

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