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Freispruch für Jörg Kachelmann. Aber was ist mit dem angeblichen Opfer? Politiker fordern jetzt einen besseren Schutz für Vergewaltigungsopfer.

© dpa

Freispruch für Kachelmann: „Das ist ein Schlag ins Gesicht“

Wenn Prominente in einen Sexskandal verwickelt sind, stürzen sich die Medien darauf. Was heißt das für die Betroffenen? Carola Klein vom Lara Beratungszentrum für vergewaltigte Frauen in Berlin über die Folgen des Kachelmann-Prozesses.

CDU-Politiker fordern in Folge des Kachelmann-Prozesses eine Einschränkung der Medienberichterstattung in Vergewaltigungsprozessen, notfalls per Gesetz. Wie stehen Sie dazu?

Zunächst einmal sind wir ein überparteiliches Beratungsangebot. Ich kenne auch den genauen Vorschlag nicht. Man muss das auf jeden Fall differenzierter sehen. Natürlich hat die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf, informiert zu werden. Aber aus unserer Perspektive ist es gut, dass den Opfern in der Regel Anonymität zugesichert wird. Das dient nicht nur dem Schutz vor den Medien und der Öffentlichkeit, sondern vor allem auch gegenüber den Tätern. Dieser Opferschutz muss massiv verbessert werden. Die Opfer müssen beispielsweise ihre Adresse angeben, wenn sie Anzeige erstatten. Die ist dann in der Akte einsehbar und ein Täter kann den Wohnort seines Opfers durch den Anwalt problemlos in Erfahrung bringen. Die Adressen werden außerdem vor Gericht laut vorgelesen, vor dem gesamten Saal.

Besteht nicht die Gefahr, dass das Thema Vergewaltigung tot geschwiegen wird, wenn niemand über die Prozesse berichten darf?

Ich würde mir wünschen, dass das Thema Vergewaltigung mehr in die öffentliche Diskussion gelangt – und zwar nicht nur, wenn Prominente beteiligt sind. Denn das verzerrt  das ganze Bild. Auf keinen Fall soll das Thema tot geschwiegen werden.

Jede siebte Frau in Deutschland erfährt sexuelle Gewalt. Und die Täter sind meistens nicht die großen, bösen Unbekannten, sondern die Partner oder Ex-Partner.

Im Jahr 2009 wurden knapp 8000 Übergriffe gemeldet. In nur 1.200 Fällen wurde Anklage erhoben. Es kam zu 928 Verurteilungen. Das sind 13 Prozent. Und man muss sich vorstellen, dass die Frauen, die eine Anzeige erstatten, schon eine Minderheit sind.

Wie erlebt denn das Opfer einen solchen Prozess und die Berichterstattung?

Aus psychologischer Sicht ist es natürlich schlimm für das traumatisierte Opfer, die Tat immer wieder rekonstruieren zu müssen. Das Erzählte wird dann auch noch von der Gegenseite zerpflückt. Für das Opfer ist es wegen des Traumas schwer, chronologisch und rational von der Tat zu berichten. Vieles hört sich dann unlogisch an. Wenn es keine anderen Beweise gibt, ist eine Anzeige deshalb immer riskant. Das ist auch einer der Gründe, warum viele Betroffene von einer Anzeige absehen.

Es hilft, wenn es eine gute Beratung und Betreuung gibt, wenn das Opfer seine Rechte kennt und ihm eine professionelle Unterstützung zur Seite steht. Deshalb fordern wir auch ein Recht auf eine Prozessbegleiterin.

Wie bewerten Sie die Berichterstattung über den Kachelmann-Prozess?

Es ist natürlich fatal, wenn die Frau so bloß gestellt wird, wie in diesem Fall. Man hat ihr nicht geglaubt. Das kommt häufig vor. Die Frauen werden dämonisiert. In solchen prominenten Fällen natürlich noch viel stärker. Der Frau wird dann vorgeworfen, den Täter in etwas hineinreiten zu wollen. So ein Prozess wie der um Jörg Kachelmann sorgt deshalb für eine weitere Stigmatisierung der Frauen. Dabei kommt es in nur drei Prozent aller Fälle vor, dass die Frau eine Vergewaltigung vortäuscht.

Für die Sache ist das ein Schlag ins Gesicht. Es wurde ein Riesenwirbel gemacht und der Frau hat es nur Schlechtes gebracht.

Also hätten Sie sich eine Verurteilung gewünscht?

Das würde ich nicht sagen. Keiner weiß, was vorgefallen ist. Aber die Art und Weise, wie mit der Frau umgegangen wurde, war für andere abschreckend.

Das Interview führte Laura Stresing

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