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Gabriele Pauli, ehemalige CSU-Politikerin und Landrätin.

© dpa

Gabriele Pauli gegen "bild.de": „Durchgeknallt“? Nicht doch

Gabriele Pauli gewinnt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen „Bild.de“. Es ging um die Frage, ob man sie als "durchgeknallte Frau" bezeichnen darf. Man darf es wohl nicht.

Eine „Erledigung“ hieß es einst bei Karl Kraus, wenn der begabte Redakteur und Satiriker eine von ihm befehdete Persönlichkeit sprachlich und argumentativ geschliffen in Grund und Boden schrieb. Heute, da immerzu alle einander erledigen und oft der Holzhammer die Feder ersetzt, stößt sogar die in Grundgesetz und Verfassungstradition hochgehaltene Meinungsfreiheit an Grenzen. So war es jetzt bei Franz Josef Wagner, dem Chef-Erlediger der „Bild“. Er hatte sich im Online-Portal des Blattes die frühere bayerische Landrätin, Landtagsabgeordnete und Stoiber-Rivalin Gabriele Pauli vorgenommen. Die Polit-Provokateurin hatte für ein Magazin 2007 ihre Aufreißer-Garderobe aus dem Schrank geholt und sich Latexhandschuhe übergestülpt.

"Gossen-Goethe" konnte die Tinte nicht halten

Das war zu viel, jedenfalls für Wagner. Der auch als „Gossen-Goethe“ etikettierte Autor konnte die Tinte nicht halten. Er dichtete: „Ich sage es Ihnen: Sie sind die frustrierteste Frau, die ich kenne. Ihre Hormone sind dermaßen durcheinander, dass Sie nicht mehr wissen, was wer was ist. Liebe, Sehnsucht, Orgasmus, Feminismus, Vernunft. Sie sind eine durchgeknallte Frau, aber schieben Sie Ihren Zustand nicht auf uns Männer.“

Den "durchgeknallten Staatsanwalt" hatten sie durchgehen lassen

Pauli wechselte die Pose, von der Aufreizenden zur Verletzten. Sie klagte, bekam noch Recht vor dem Landgericht Traunstein, verlor jedoch vor dem Oberlandesgericht München, das den Wagner-Ausfall im Rahmen des Erlaubten sah. Das Bundesverfassungsgericht, das vor Jahren einen „durchgeknallten Staatsanwalt“ als zulässige Kritik hatte durchgehen lassen, zog nun in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss die Bremse bei der „durchgeknallten Frau“.

Die Münchner Richter hätten übersehen, dass die Meinungsfreiheit im Grundgesetz ausdrücklich bei der persönlichen Ehre an eine Schranke komme. „Durchgeknallt“ sei hier gewissermaßen Wagners Resümee aus dem zuvor Gesagten gewesen. Dadurch verschiebe er „die öffentliche Auseinandersetzung um die Person der Beschwerdeführerin hin zu rein spekulativen Behauptungen über den Kern ihrer Persönlichkeit als Privatperson“, erkannten die Verfassungsrichter. Der Autor stütze sein Urteil damit auf Annahmen über den innersten Intimbereich, „ohne dass sie irgendeinen Tatsachenkern hätten“.

Die Münchner Richter müssen den Fall nun erneut entscheiden, vermutlich mit gutem Ausgang für Frau Pauli. Der Beschluss aus Karlsruhe dürfte auch die Aufmerksamkeit für ihr Buch „Die rote Rebellin“ steigern.

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