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Macht Werbung für das Land, das seit 18 Jahren ihr Zuhause ist: Zohre Esmaeli.

© Deutschland – Land der Ideen/Juliane Eirich

Gebürtige Afghanin folgt Schiffer: Zohre Esmaeli ist das neue Gesicht Deutschlands

Sie wurde in Kabul geboren, flüchtete mit 13 Jahren nach Deutschland. Jetzt ist die 31-jährige Zohre Esmaeli aus Berlin das neue Model der Kampagne "Deutschland - Land der Ideen".

Soeben biegt das Symbol für Deutschland, oder soll man sagen: das Symbol für das neue Deutschland, in die Lobby des Düsseldorfer Hilton Hotels ein. Offener Blick, aufrechte Haltung, der gelbe Wollpullover schmeichelt der Frau. Und weil auch sie mit ihrer wie unwillkürlich strahlenden Art dem Wollpullover schmeichelt, wird sie gerne gebucht für internationale Modeshootings.

Zohre Esmaeli, internationales Model ("aber bitte nicht Top-"), hat man darauf vorbereitet, dass ihr ab Mitte Februar Ablehnung entgegenschlagen kann. Und sie hat beschlossen, dass es ihr nichts ausmachen wird. Sie ist Widerstand gewöhnt. Esmaeli, geflüchtet aus Afghanistan, heute mit deutschem Pass, wird bald in eine deutsche Flagge gehüllt zu sehen sein. Sie wird das neue Gesicht der Kampagne "Deutschland – Land der Ideen". Damit folgt nach zehn Jahren Zohre Esmaeli auf das frühere Nationalsymbol Claudia Schiffer.

Was bedeutet das? Wie Schiffer damals soll Zohre Esmaeli ja Deutschland nicht nur schmücken, sondern verkörpern. Mit allem, was sie hat: mit ihrem Leben, ihrer Kindheit, ihren Anliegen, Projekten und Überzeugungen. Sie ist mit 13 Jahren in sieben Monaten aus Kabul nach Deutschland geflüchtet. Sie hat zwei Jahre lang in Asylbewerberheimen gelebt und hatte ein Jahr lang Angst vor der Rache ihrer Brüder, weil sie von zu Hause weglief, nachdem man sie verheiraten wollte. 90-60-90 war sicher kein Nachteil, aber ihr Trumpf ist diese Geschichte.

Als sie angefragt wird, sagt die 31-Jährige sofort zu

Als sie gefragt wird, sagt die 31-Jährige sofort zu. Am 15. Dezember ist sie für ein ganztägiges Shooting in Berlin. Nur die Deutschlandfahne und sie. Und Hans Starck, der Fotograf. Nur Oberfläche? Nein. Das Posieren ist jetzt politisch. Claudia Schiffer blickte 2006, im Jahr des Sommermärchens, lockend aus ihrer schwarz-rot-goldenen Nationalkleidung. Es passte zum euphorischen Jahr, in dem Deutschland für die Welt immer attraktiver wurde und sich selbst so schön fand. Doch das Land hat sich in der Zwischenzeit verändert. Pegida marschiert durch die Straßen, es gibt die AfD und noch einige andere Bedrohungen für die offene Gesellschaft. Claudia Schiffer hätte jetzt nicht mehr funktioniert.

Und wo Schiffer damals noch werbend schaute, guckt Zohre Esmaeli stolz. Esmaeli hat das Mädchen mit der Fahne mehr in Richtung der französischen Nationalfigur Marianne verschoben: Selbst-, fast siegesbewusst, die Fahne ein Symbol für die Freiheit, eine Schulter nackt, die Haltung kämpferisch.

Die dreizehnjährige Zohre streifte sich zum Schrecken ihrer Eltern an der ersten Tankstelle, die die geflüchtete Familie in Deutschland erreichte, das Kopftuch ab: "Sonst fallen wir doch auf."

Zohre Esmaeli, die alle nur Zohre nennen, mit diesem Namen, der nach Durchhalten klingt, nach Zähigkeit und Zorn, ist es gewöhnt, dass sie prüfender angeschaut wird als andere. Erst, weil sie so anders war, in den Klassen, wo man das Mädchen, das kein Deutsch sprach, mit Papierkügelchen bewarf und hänselte, dann, weil sie so schön war auf den internationalen Laufstegen. In Zukunft, weil man ihr Bild abgleichen will mit dem Bild, das man selbst von Deutschland hat. Aus diesem Anlass muss man sogar noch genauer hinsehen.

So wurde Zohre Esmaeli von Hans Starck fotografiert.
So wurde Zohre Esmaeli von Hans Starck fotografiert.

© Hans Starck/Deutschland - Land der Ideen

Die Initiative "Land der Ideen" – deren Wettbewerb für "Ausgezeichnete Orte" ab dem 21. Februar in die neue Runde geht, ist eine Initiative der Bundesregierung und des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Insofern ist das alles auch politisch zu sehen. Die Teams werden in den sozialen Netzwerken alle diskriminierenden Kommentare löschen, aber die Diskussion darüber, was deutsch ist, darf geführt werden. Ja, sie soll geführt werden, sagt Ute Weiland, die Geschäftsführerin vom "Land der Ideen".

In der Hilton-Lobby sitzt Esmaeli, es ist noch immer etwas übrig von der grundlegenden Freude, genau hier gelandet zu sein. "Großes Smile, kleines Ego", ist ihr Motto. Schon in Afghanistan habe sie immer ihr Essen geteilt. Seit Jahren unterstützt sie den Verein "Afghanistan – Hilfe, die ankommt". Für Deutschland hat sie die "Culture Coaches" angestoßen, die bilden zweisprachige Mentoren aus, die in Flüchtlingsheime gehen und Firmen beraten. Die neue Kampagne erscheint nun wie ein logischer Schritt. "So kann ich mich bei allen Deutschen bedanken."

Antidiskriminierungs-Botschafterin des Bundes ist sie schon

Schwer vorstellbar, dass Esmaeli Jahre hauptsächlich damit beschäftigt war, am Morgen für Castings frisch auszusehen. Ihre tollsten Partys hat sie in New York gefeiert, war Lockvogel für Clubbesitzer und wurde mit deren Limousinenservice von Party zu Party gebracht. "Aber ich habe immer Leute gefunden, die sich für mich interessiert haben." Ihre Geschichte hat sie schon immer davor gerettet, sich in der Model-Welt zu verlieren. Vor der Folie des Mädchens aus Afghanistan, über dessen Schicksal die Verwandten bestimmen, wirkten alle diese Bilder noch viel spektakulärer. Wie sie da pfeilgerade mit hautengen Kleidern vor den Sofas einer Möbelfirma aufgepflanzt steht wie ein exotischer Schössling!

Zohre Esmaeli ist ein international gefragtes Model.
Zohre Esmaeli ist ein international gefragtes Model.

© „Deutschland – Land der Ideen/Juliane Eirich“

Antidiskriminierungs-Botschafterin des Bundes ist sie schon. Nun kann sie vielleicht tatsächlich ein deutsches Problem lösen helfen. Sie hat etwas anzubieten, das Deutsche kaum können: Weil sie sich einfühlen kann, sie weiß, warum ausländische Kinder schnell aggressiv werden, welche Nationalitäten man nie zusammen unterbringen sollte. "Ich musste immer alles Schlechte selbst erleben", sagt sie. Der Vorteil ist, dass sie jetzt so viel davon versteht. Sie kennt sich aus mit den Erfahrungen derer, die ankommen. "Ich hatte das ganze Programm: Asylantrag, Duldung, Verlängerung." Dann Bewerbung um die Staatsbürgerschaft, Kurs und Prüfung.

Ihr sind immer wieder Leute begegnet, die ihr Türen geöffnet haben. Nehmen und geben, darum ginge es. Integration ist nicht nur eine einseitige Anpassung. "Hier kann man sich für das Beste aus beiden Welten entscheiden." Im Idealfall bereichern sie beide.

Zohre Esmaeli wohnt in Berlin

Als sie von zu Hause weggelaufen war, lebte sie für eine Weile bei der Familie eines Freundes. Sie selbst hatte nie eine Oma gekannt, der Oma des Freundes hat sie begeistert die Haare gefärbt und die Nägel gemacht, da hatte sie schon gewonnen. Die Oma liebte sie. Deutschland schmeichelt ihr, aber sie, ihr Erfolg, der hier möglich wurde, schmeichelt auch Deutschland. Diese Wechselwirkung nennt man dann gelungene Integration.

"Es geht darum, herauszufinden, wer man wirklich ist", sagt Esmaeli. Und das geht nur in einer offenen Gesellschaft.

Zohre Esmaeli wohnt in Berlin, das ist bekanntlich die Stadt der Möglichkeiten im Land der Möglichkeiten. "Deutschland hat etwas geschafft, was Amerika nicht geschafft hat", sagt sie. Vielleicht biete Amerika größere Freiheiten für erfolgreiche Menschen, die schon viel erreicht haben, für solvente Menschen, Wissenschaftler. Aber Deutschland biete mehr Chancen für den Menschen, der nichts hat. Das Überleben sei hier gesichert. Es klingt, als sollten die Tellerwäscher dieser Welt in Zukunft besser auf Deutschland setzen.

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