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Panorama: Gefährliche Klippen

Am Wochenende wurde eine Berliner Urlauberin auf Rügen von einer Erdlawine begraben und getötet

Gegen Mittag waren die Berlinerin und ihr Freund aus ihrem Urlaubsquartier in Binz auf Rügen aufgebrochen. Sie wollten bei leicht diesigem Wetter am Strand entlangwandern, sich an Muschelschalen und bunten Steinen erfreuen und viel gesunde Seeluft tanken. Doch für die 27 Jahre alte Frau endete der Spaziergang am Sonnabend tödlich. Zwischen Göhren und Lobbe am südwestlichen Zipfel der Ostseeinsel, wo der Strand wegen des herrschenden Hochwassers kaum mehr als einen Meter breit war, wurde Mandy K. unter einer Erdlawine aus Steinen, Sand und Ton erschlagen. Der Geschiebemergel hatte sich rund 15 Meter über ihr vom steilen Hochufer gelöst und begrub die Touristin mit dumpfem Geräusch unter sich. Die von ihrem 30 Jahre alten Begleiter aus München alarmierten Rettungskräfte kamen zu Fuß über die Steiluferkante, einige setzte ein Hubschrauber von See her am Strand ab. Mit Schaufeln kämpften sie sich durch das Erdreich, konnten die Berlinerin aber nur noch tot bergen.

Obwohl es erst der zweite Todesfall dieser Art innerhalb von knapp 70 Jahren auf Rügen ist, warnen die Einheimischen vor allem im Winter vor Wanderungen unterhalb der Steilküste. „Das ist leichtsinnig“, sagt Manfred Kutscher, Mitarbeiter des Nationalparkamtes Jasmund.

Erst zwei Tage zuvor waren am Nordostufer Rügens, etwa 30 Kilometer Luftlinie von Göhren entfernt, die berühmten „Wissower Klinken“ abgestürzt. Die spitz nach oben ragenden Felsformationen hatten vor rund 180 Jahren angeblich den Maler Caspar David Friedrich (1774 1840) zu seinem Gemälde „Kreidefelsen auf Rügen“ angeregt und waren eine Attraktion Rügens und Ausflugsziel zahlreicher Touristen.

30000 Kubikmeter Kreide, die sich vor 69 Millionen Jahren aus Kieselalgen gebildet hatten, stürzten am Donnerstag auf den Strand. Risse im Fels kündigen bereits den nächsten großen Abbruch an, sagt Kutscher. Gerade im Winter füllen sich Ritzen im Fels mit Wasser, das die Kreide schwer macht. Wenn es friert, dehnt das Eis die Ritzen zu gefährlichen Rissen. Spätestens wenn das Eis wieder schmilzt, fehlt der durchnässten Kreide Halt.

Bei dem lediglich rund 12000 Jahre alten Geschiebemergel im Südosten der Insel, wo sich das jetzige Unglück ereignete, wirkt laut Kutscher Wasser und Frost kaum anders. Hinzu kommt dort aber, dass mancher Findling oben an der Steilküstenkante nur von wenigen Baumwurzeln gehalten wird. Den Strand abzusperren, zeige kaum Wirkung, weiß Kutscher. Die Katastrophentouristen kämen trotzdem.

Unter ihnen sind auch manche Fossiliensammler. „In der langsam gewachsenen Rügener Kreide werden sie aber kaum etwas finden“, sagt Kutscher. Er rät den Touristen, gerade im Winter statt über die engen Strandabschnitte unterhalb der Steilküsten oben auf dem Kliff spazieren zu gehen. Dass auch Fachkenntnis nicht vor Unglücken schützt, zeigt der letzte Todesfall vor knapp 70 Jahren. Dabei kam ein Geologe unter einer Schlammlawine zu Tode – im Sommer.

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