zum Hauptinhalt
Im „Lkw-Krieg“ auf der Autobahn greift er zur Waffe: Der Autobahnschütze steht vor Gericht - und gibt die Serie grundsätzlich zu. Das Motiv bleibt vage, und die Beweisaufnahme könnte dauern.

© dpa

Geisterschütze steht vor Gericht: Autobahn-Schütze im Lkw: "Mit links gelenkt, mit rechts geschossen"

Im „Lkw-Krieg“ auf der Autobahn greift er zur Waffe: Der Autobahnschütze steht vor Gericht - und gibt die Serie grundsätzlich zu. Das Motiv bleibt vage, und die Beweisaufnahme könnte dauern.

Die Pistole lag im leeren Airbagfach des Lenkrads. Ein ideales Versteck. In Griffweite für den angeklagten Fernfahrer, der jahrelang als Geisterschütze auf deutschen Autobahnen für Schlagzeilen sorgte. So jedenfalls stellen es die Ermittler dar: Wenn der 58-Jährige aus der Eifel einen seiner „Denkzettel“ für die Fahrweise anderer erteilen wollte, habe er die Waffe gegriffen, das Fenster heruntergelassen und mehr oder weniger freihändig abgedrückt. „Ich habe meist mit links gelenkt und mit rechts geschossen“, erzählt der Mann selbst. Eine Kleinkaliberwaffe habe er selbst gebaut, die gefährlichere Pistole des Kalibers 9 Millimeter nach der Wende von einem russischen Soldaten gekauft. Von einem „frustrierten Einzelgänger“ mit „Affinität zu Waffen“ hatten Beamte nach der Festnahme des mutmaßlichen Autobahnschützen gesprochen. Vor dem Würzburger Landgericht erscheint am Montag ein beleibter Mann mit Schnauzer und hängenden Schultern, der Körper sichtlich gezeichnet von Jahren auf dem Bock. Im linken Ohr trägt er einen goldenen Ohrring. Der Angeklagte, der 1989 über Ungarn aus der DDR in den Westen floh, erzählt teilweise nuschelnd, was ihn zu seinen Taten bewegt hat. Er berichtet von Frust und Überfällen durch Fahrer von Autotransportern, von vollen Rastplätzen und einer „Art Selbstjustiz“. „Das ist der Lkw-Krieg?“, fragt ihn der Vorsitzende Richter Burkhard Pöpperl. „Ja“, bestätigt der 58-Jährige. „Hat Ihnen das Spaß gemacht?“, hakt ein anderer Richter nach. „Das war schon immer eine Genugtuung.“ Dreieinhalb Stunden haben zwei Staatsanwälte zuvor im Wechsel die Vorwürfe der Anklage heruntergerattert - dabei wurde aber nicht mal ein Viertel der weit mehr als 700 angeblichen Fälle zur Anklage gebracht, um das Verfahren in einem zu bewältigenden Rahmen zu halten.

Der Mann habe den möglichen Tod anderer billigend in Kauf genommen

Hunderte BKA-Aktenordner stehen in einem Regal am Rand des Würzburger Gerichtssaals. Knackpunkt des komplizierten Prozesses ist der Vorwurf des versuchten Mordes in fünf Fällen. Die Verteidigung weist ihn energisch zurück. Der Angeklagte gibt sich resolut: Er habe nie auf Führerhäuser anderer Lastwagen gezielt, sondern auf die geladenen Neuwagen oder Heckaufbauten. Wenn er das rote Auto auf dem Anhänger eines Autotransporters habe treffen wollen, habe er es auch getroffen - und nicht das gelbe davor oder dahinter, beteuert er.

Ob er vorher geübt habe, auf bewegliche Ziele zu schießen, fragt ein Richter zurück. Nein, sagt der Angeklagte. Nach Ansicht der Ankläger um Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen war es daher manchmal einfach nur Glück, wenn bei einer Attacke niemand zu Schaden kam. Der Mann habe den möglichen Tod anderer billigend in Kauf genommen, so ihre Argumentation für den Vorwurf des Mordversuchs.

Zu den Opfern gehört eine Frau, die in den Hals getroffen wurde

Beispiel April 2010 auf der A61 bei Gymnich: Die Kugel schlug durch das Seitenfenster einer Zugmaschine und flog einmal quer durch den Fahrerraum, wobei sie den Mann am Steuer verfehlte. Drei Menschen hatten weniger Glück und wurden bei zwei weiteren Attacken verletzt. Zu den Opfern gehört eine Frau, die in den Hals getroffen wurde. Der Angeklagte sagt: „Meine Handlungsweise ist mir mittlerweile selbst nicht mehr verständlich.“ Er sei bereit, die strafrechtlichen Konsequenzen zu tragen. Wie die ausfallen, darüber dürfte in den kommenden Wochen noch langwierig gerungen werden. Der Mann gesteht zwar pauschal, gibt aber an, sich an Zahl und Ort der Schüsse nicht erinnern zu können, was eine umfangreiche Beweisaufnahme nötig machen könnte. Richter Pöpperl deutet bereits an, dass die angedachten neun Verhandlungstage bis Mitte September für das komplexe Verfahren wohl nicht ausreichen. (dpa)

Zur Startseite