zum Hauptinhalt
Windkraftanlagen in Sachsen-Anhalt.

© dpa

Getäuschte Prokon-Anleger halten der Firma die Treue: Vom Wunsch, ein guter Mensch zu sein

Sie wurden seit Jahren gewarnt. Trotzdem haben 70.000 Anleger ihr Geld bei Prokon angelegt. Jetzt, wo die Insolvenz droht, versammeln sich offenbar viele Unbeirrbare bei den "Freunden von Prokon". Warum? Ist der Wunsch, ein guter Mensch zu sein, stärker als der Verstand?

Von Andreas Oswald

Bis zu acht Prozent Rendite versprachen die Plakate in den U-Bahnen. Vor allem aber suggerierten sie, dass die umworbenen Anleger etwas Gutes tun. Windenergie statt Atomkraft. 70.000 Menschen haben Geld bei Prokon angelegt. An Warnungen hat es nicht gefehlt. Die Stiftung Warentest warnte, nahezu die ganze Wirtschaftspresse, Zeitungen, Fernsehen. Sie alle fragten, wie eine so hohe Rendite erwirtschaftet werde könne. Von „Schneeballsystem“ war die Rede.

Die "Freunde von Prokon" schotten sich ab

Das Magazin „Capital“ berichtete von Bilanztricks, Michael Olbrich, Professor am Institut für Wirtschaftsprüfung der Universität des Saarlandes, kam in „Capital“ zu dem Schluss, Prokon könne nicht nachweisen, dass die versprochenen Renditen wirklich operativ erwirtschaftet würden.

Jetzt droht Prokon die Insolvenz. Haben die Anleger daraus gelernt? Eine Gruppe von ihnen hat sich zusammengetan unter dem Namen „Freunde von Prokon“. Sie halten dem Unternehmen unverbrüchlich die Treue. Sie wollen weiter zusammenhalten, komme da, was wolle. Gegenüber Medien schotten sie sich ab. Auf der Webseite der „Freunde von Prokon“ heißt es: „Als Gemeinschaft argumentieren wir streng sachlich und vermeiden negative Emotionen, die nur Trennung in unseren Kreis bringen würden.“ Mitglieder des Kreises beschreiben, warum sie dabei sind. „Nach meiner Überzeugung ist die Verteilung der Reichtümer auf der Welt ungerecht“, schreibt einer. „Meine Skepsis gegenüber unserem Finanzsystem ist gewachsen. Ich habe mich gefragt, wem die Banken dienen und wessen Interessen sie vertreten.“ Ein anderer schreibt: „Der Reichtum wird bisher zu Lasten anderer Menschen und der Natur erzeugt und nach Steinzeitregeln im Interesse der Mächtigsten verteilt. Diese längst hinfällige Lebensart macht Landstriche unfruchtbar, verändert das Klima, lässt viele Menschen leiden.“ Die „Freunde von Prokon“ eint ein Ziel: Sie wollen eine bessere Welt schaffen.

Sind die "Freunde von Prokon" nur eine Inszenierung?

Derzeit ist völlig unklar, ob es sich bei den „Freunden von Prokon“ tatsächlich um gewöhnliche Anleger handelt, oder ob es eine Inszenierung ist mit dem Ziel, die verunsicherten Anleger bei der Stange zu halten. Unabhängig davon aber sind die Aussagen der „Freunde von Prokon“ interessant, weil sie deutlich machen, warum Privatanleger Geld so oft verlieren. Norman Welz ist Psychologe in Hamburg und Experte für sogenannte Finanzpsychologie, die sich damit beschäftigt, warum der Mensch bei Anlageentscheidungen intuitiv das Falsche tut. Den Hang vieler Menschen zu „grünen Geldanlagen“ erklärt er damit, dass die Menschen aufgrund vergangener Erfahrungen kein Vertrauen in die Kapitalmärkte haben. Bei „ethischen Geldanlagen“ werde den Menschen die Angst genommen, sich in die Welt der Spekulation zu begeben. Die Anbieter solcher Geldanlagen holen diese Menschen bei ihrem Gewissen ab, um ihr Portemonnaie zu öffnen.

Die Menschen suchen Stabilität, sie haben Angst vor Unsicherheit

Christoph Wahlen, ein Finanzpsychologe aus Seeheim in Hessen, spricht von einem Schuldtransfer. Der Mensch empfindet eine Teilschuld an den gesellschaftlichen Zuständen und möchte etwas tun, um diese Schuld wenigstens ein bisschen abzutragen. In dem Moment, in dem der Anleger sein Geld investiert hat, kommt nach Angaben von Wahlen ein Mechanismus zum Tragen, den Experten der Behavioral Finance „Confirmation Bias“ nennen, Bestätigungsfehler. Es werden nur die Informationen ausgewählt, die zum bestehenden Bild passen. Unbewusst ausgeblendet werden Informationen, die eigene Erwartungen und Einstellungen widerlegen, zum Beispiel : „Alternative Energie-Investments sind gut.“

Die Person unterliegt dann einer Selbsttäuschung oder einem Selbstbetrug. Die eigene Meinung soll gestärkt werden. Nichts ist schlimmer als Unsicherheit für Menschen. Das soll vermieden werden. Das Bedürfnis nach Stabilität könnte auch ein Grund sein, dass sich Anleger zusammenschließen, wenn der Verlust ihres Geldes droht. Es ist ein Ur-Instinkt, dass Menschen sich bei Gefahr in der Herde sicher fühlen, dieser Herdentrieb scheint ihnen als Garant zum Überleben. Und ist das Geld dann weg, darf wenigstens die Idee nicht sterben.

Norman Welz warnt Privatanleger, nur auf die Rendite zu achten. „Viele Privatanleger haben Angst vor Verlusten und halten deshalb an verlustbringenden Investitionen fest. Profis achten dagegen auf ihr Risiko. Sie wissen, wann sie aussteigen, damit die Verluste überschaubar bleiben. Sie haben einen Plan.“ Privatanleger, die keinen Ausstiegsplan hätten, betrieben dagegen Glücksspiel.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false