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Profis an der Wall Street. Wer ein Anlageprodukt erwirbt, sollte wissen, dass der, der es verkauft, es nicht mehr selber haben will.

© dapd

Gier der Banken: Goldman-Sachs-Verräter Greg Smith wird zum Star

Nach seinen Enthüllungen darüber, wie Goldman Sachs Kunden behandelt, wird der Ex-Banker Greg Smith als Kronzeuge gefeiert. An seinen Angaben wird nicht gezweifelt, aber was sind seine Motive?

Er ließ kein gutes Haar an seiner Bank. Drei Tage nach seiner spektakulären Kündigung wird Greg Smith als Star gefeiert. Der ehemalige Banker von Goldman Sachs gilt als Kronzeuge dafür, wie Banken mit ihren Kunden umspringen. Greg Smith hatte sich am Dienstag nach zwölf Jahren Arbeit per E-mail an seine Vorgesetzten verabschiedet, nur Minuten bevor die morgendliche „New York Times“ seine Enthüllungen über das Unternehmen druckte. Nun hagelt es Kritik, allerdings nicht nur an der Bank.

Der 33-jährige Smith, der zehn Jahre in New York für Goldman Sachs arbeitete und zuletzt zwei Jahre in London, macht dem Unternehmen eine Reihe von Vorwürfen – grenzenlose Arroganz ist nur einer davon. So kritisiert er Bankchef Lloyd Blankfein für dessen legendäre Äußerung, seine Bank tue „Gottes Werk“. Für Kult-Komiker Stephen Colbert ist das gar nicht so unangemessen. „Er hat ja nicht gesagt, welchen Gott er meint“, verteidigt er Blankfein. „Vielleicht Shiva, den Gott der Zerstörung.“

Dessen Werk hatte Goldman Sachs wie auch die anderen Großbanken in den letzten Jahren sogar außerordentlich gewissenhaft getan. Abgesehen von den katastrophalen Zusammenbrüchen bei Lehman Brothers und Bear Stearns gibt es seit Jahren immer wieder Berichte, wie Banken ihre Kunden ausnehmen, indem sie ihnen Papiere verkaufen, von denen nicht der Kunde, sondern die Bank profitiert. Da war zunächst der französische Trader Fabrice Tourre, der seinen Kunden – „Witwen und Waisen“, wie er selber in einer E-mail höhnte – komplizierte Hypotheken-Anlagen aufschwatzte, die später implodierten. „Einziger Überlebender: der fabelhafte Fab“, lobte sich Tourre selbst in einer E-mail an Kollegen.

"Soll die Oma doch hopsgehen"

Die Investmentbankerin Anne T. hat in einem Buch über die Praktiken der Banken geschrieben: „Soll die Oma um die Ecke doch hopsgehen, solange unsere Millionen fließen.“

Dann kam der Abacus-Skandal, aus dem die Welt lernte, dass Goldman Sachs seinen Kunden regelmäßig Anlageprodukte anbot, von deren Wertlosigkeit man bereits überzeugt war. Zwischendurch gab es Ermittlungen der Börsenaufsicht SEC, die Goldman Sachs nicht zuletzt im Zusammenhang mit Abacus eine Strafe von 550 Millionen Dollar aufbrummte.

Greg Smith wirft Goldman Sachs vor, dass man dort intern die Kunden als „muppets“ – „Deppen“ – bezeichne.

Umso mehr stellt sich die Frage: Warum fiel dem jungen Banker die Wahrheit nicht schon viel früher auf? Warum war er so naiv, mitten in einer globalen Finanzkrise, in der die nvestmentbranche ohnehin massiv an Ansehen verloren hat, ausgerechnet bei der größten Krake ein Gewissen zu vermuten? Hätte ihm nicht längst klar sein müssen, dass es der Firma nur um den eigenen Profit ging? Fiel ihm die Gier erst jetzt auf? Drei Tage nach Smiths Abrechnung lautet die Frage: Warum hat er wirklich gekündigt und seiner Bank mit seiner Enthüllung geschadet?

Einige Kommentatoren sagen, dass Smith letztlich nur frustriert über seine eigene Karriere war. Fest steht, dass er als Executive Director zwar einen klangvollen Titel führte, aber keinen seltenen: rund ein Drittel der Mitarbeiter bei Goldman Sachs stehen auf dieser Stufe. Auch gehörte Smith mit einem Jahresgehalt von nur 500 000 Dollar keineswegs zu den Top-Verdienern, möglicherweise war er auch mit seinem Jahresbonus nicht zufrieden. Der wurde unmittelbar vor seinem spektakulären Abschied überwiesen.

Auch deutsche Banken in der Kritik

Dass Smith die Missstände in seinem Unternehmen nicht erst nach zwölf Jahren entdeckte, sondern schon länger unzufrieden war, liegt auf der Hand. Dass er selbst nicht befördert wurde, lässt sich zwischen den Zeilen seiner Abrechnung entnehmen. Immerhin schreibt er, dass es nur drei Möglichkeiten gab, befördert zu werden: Belohnt wurde etwa, wer seinen Kunden wertlose Wertpapiere aufschwatzen konnte, die Goldman Sachs loswerden wollte. Mehr Geld gab es auch für Trader, die jene verpönten synthetischen Konstrukte verkauften, die sich gemeinhin hinter Kürzeln aus drei Buchstaben verstecken – CMO, ABS, CDO – und die Finanzkrise der letzten Jahre verursacht haben.

Hinter Smiths Abschied von Goldman Sachs dürfte mehr stecken als der Frust über eine mittelmäßige Karriere. Denn der Finanzsektor in den USA hat sich in den letzten Jahren massiv gewandelt, nicht zuletzt beim Branchenriesen. Der hatte einst tatsächlich den Ruf, Kunden sehr persönlich zu beraten und deren Portfolio-Interessen zu verfolgen. Das Risiko verschiedener Anlagen den Bedürfnissen der Kunden anzupassen, war wirklich einmal die Maxime vieler ehrlicher Banker. Von diesem Ruf ist nach der Finanzkrise nichts übrig geblieben.

Ein anonymer Großkunde schrieb als Reaktion auf Smiths Kündigung: „Wir handeln sehr viel mit Goldman Sachs und wir wissen, dass wir dabei immer vorsichtig sein müssen.“

Es geht nicht nur um ein amerikanisches Problem. Auch in Deutschland verloren viele Kleinanleger Geld mit undurchsichtigen Wertpapieren, die ihnen empfohlen worden waren. Trotz der neuen Vorschriften in Deutschland, die Anleger besser schützen sollen, kritisieren Verbraucherschützer, dass Banken auf Kosten ihrer Kunden Geld verdienen, etwa, indem sie ihnen raten, alte Verträge durch unangemessene neue zu ersetzen und sie selber dabei hohe Provisionen kassieren.

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