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Panorama: Glatzenbildendes Gen gefunden

Forscher entdecken eine Ursache der Haarlosigkeit / Debatte um neues US-PräparatVON HARTMUT WEWETZERIrgendwann muß fast jeder Mensch Haare lassen.Der Mann eher, die Frau später.

Forscher entdecken eine Ursache der Haarlosigkeit / Debatte um neues US-PräparatVON HARTMUT WEWETZERIrgendwann muß fast jeder Mensch Haare lassen.Der Mann eher, die Frau später.Beim Blick in den Spiegel schwant so manchem männlichem Wesen, daß ein dünneres Haarkleid, gar eine Glatze droht.Frauen fallen die Haare meist erst nach den Wechseljahren aus. Die Ursache ist in beiden Fällen die gleiche, nämlich die androgenetische Alopezie.Sie beruht auf dem Einfluß männlicher Geschlechtshormone auf den Haarbalg, in dem die haarbildenden Zellen sitzen (das Haar selbst ist dagegen ein totes Gebilde).Unter Hormon-Einfluß "ermüden" die haarbildenden Zellen.Je nach Veranlagung ist die Neigung zum Haarausfall unterschiedllich ausgeprägt. Nun haben amerikanische, pakistanische und britische Forscher ein Gen gefunden, dessen Veränderung (Mutation) möglicherweise eine sehr seltene angeborene Form der Haarlosigkeit hervorruft.Der Gen-Fund ist zwar für die "normale" Glatze nicht von wesentlicher Bedeutung, ergänzt aber das komplizierte Bild von der Haarbildung, an der etliche Gene beteiligt sind. Eine Forschergruppe unter Leitung von Wasim Ahmad und Angela Christiano von der New Yorker Columbia-Universität untersuchten eine pakistanische Familie, in der vier Männer und sieben Frauen unter angeborener völliger Haarlosigkeit litten.Sie sondierten die Gene der Betroffenen nach Auffälligkeiten und wurden fündig: alle haarlosen Personen hatten in einem Erbmerkmal auf dem Chromosom acht anstelle des chemischen "Buchstabens" A den Buchstaben G.Diese veränderte Erbinformation führt zu einem entsprechend geänderten Gen-Produkt.Das nach der genetischen Bauanleitung konstruierte Protein enthält an dem betroffenen Abschnitt nicht die Aminosäure Threonin, sondern die Aminosäure Alanin - ein kleiner Fehler führt zur Glatze. In der Zeitschrift "Science" (Band 279, Seite 720) weisen die Forscher darauf hin, daß das als "hairless"-(haarlos)-Gen bezeichnete Erbmerkmal auch bei Mäusen und Ratten vorkommt.Das Genprodukt ist ein Transkriptionsfaktor.Es gehört zu einer Familie von Eiweißmolekülen, die die Umwandlung von genetischer Information aus der Erbsubstanz DNS in die Überträgersubstanz RNS steuern."Hairless"-Protein wird bei Ratte, Maus und Mensch überwiegend in Bindegewebszellen der behaarten Haut und im Gehirn gebildet. Die Wissenschaftler bezeichnen die Krankheit ihrer Patienten als "Alopecia universalis" und damit als schwerste Form der "Alopecia areata", des kreisrunden Haarausfalls.Aber diese Klassifikation stößt bei Constantin Orfanos, Direktor der Hautklinik am Universitätsklinikum Benjamin Franklin, auf heftige Kritik: "Die Störung hat mit der Alopecia areata nichts zu tun.Es handelt sich um einen angeborenen Haardefekt, eine Hypotrichie." Bei der Alopecia areata fallen Haare dagegen irgendwann im Laufe des Lebens in bestimmten Arealen aus.Die Ursache ist eine fehlgesteuerte Abwehrreaktion des körpereigenen Immunsystems; bestimmte Abwehrzellen stürzen sich auf das Gewebe des Haarbalgs.Behandelt wird mit immundämpfenden Mitteln wie Kortison, mit ultravioletter Strahlung oder einer allergenen Reiztherapie, doch kann sich die Störung auch - vor allem in den ersten Jahren - ohne Therapie zurückbilden.Dann wachsen die Haare wieder.Vielen Menschen machen im Laufe ihres Lebens einmal eine Alopecia areata durch, sagt Orfanos. Wird es die "Pille für das Haar" irgendwann geben? Orfanos ist optimistisch, daß insbesondere dem "gewöhnlichen" Haarausfall durch androgenetische Alopezie einmal wirksam begegnet werden kann.In den USA ist mittlerweile ein Präparat namens "Propecia" auf dem Markt.Es blockiert die Umwandlung des männlichen Geschlechtshormons Testosteron in das besonders glatzenfördernde Dihydrotestosteron.Zwar ist Orfanos skeptisch, daß dieses Mittel bereits der Weisheit letzter Schluß ist.Aber der Anfang ist gemacht.

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