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Die Besten. "Boyhood" holte drei Golden Globes.

© dpa

Golden Globes: Das Stille und das Schrille

Hollywood liebt Arthouse-Filme: Bei den Golden Globes wurde der Film „Boyhood“ ausgezeichnet. Er war auf der Berlinale vom Publikum und der Kritik gefeiert worden, nicht aber von der Jury.

Die Oscars sind längst keine Blockbuster-Trophäen mehr. Sie ehren das Arthouse-Kino mit Publikumspotenzial, zuletzt „12 Years a Slave“, „Argo“, „The Artist“ und „The King’s Speech“. Auch die Golden Globes, der zweitwichtigste Filmpreis der Welt, bevorzugen seit einigen Jahren unabhängige Produktionen: Da passt es nur zu gut, wenn der Hauptpreis und zwei weitere Auszeichnungen diesmal an Richard Linklaters Familiendrama „Boyhood“ gehen.

Hollywood goes Indie, blickt auf Europa – und trauert mit Paris. „Je suis Charlie“, ruft George Clooney bei der 72. Verleihung am Sonntagabend in Beverly Hills, als der (erst!) 53-Jährige den Preis fürs Lebenswerk entgegennimmt. Etliche Stars bei der von den Komikerinnen Tina Fey und Amy Poehler moderierten Gala tragen „Charlie“-Schilder über den roten Teppich, darunter Helen Mirren und Joshua Jackson.

Die Vier-Millionen-Dollar-Produktion „Boyhood“ spielte in den USA übrigens nur 24,3 Millionen Euro ein, ein Boxoffice-Hit schafft so was in wenigen Tagen. Aber Globes und Oscars setzen eben nicht auf die Charts, sondern auf Qualität: Linklaters über einen Zeitraum von zwölf Jahren gedrehte 160-minütige Langzeitbeobachtung eines heranwachsenden Jungen und seiner texanischen Vatermuttertochtersohn-Patchworkfamilie ist nicht nur der schönste Film der Saison. Er erfindet – mit Ethan Hawke und Patricia Arquette als getrennten Eltern – auch das Erzählen im Kino neu, still, beiläufig, anrührend. Alles gespielt, alles echt – die Schauspieler altern real. So wohnt die Fictiondoku dem Leben selbst bei, einem ganz normalen Familienalltag im Amerika des 21. Jahrhunderts.

Conchita Wurst war das Highlight auf dem roten Teppich.
Conchita Wurst war das Highlight auf dem roten Teppich.

© AFP

Ein Globe fürs Beste Filmdrama, einer für Patricia Arquette, einer für Regisseur Linklater: Die Berlinale ärgert sich jetzt vielleicht doch noch, dass die Jury ihren Goldenen Bären 2014 nicht „Boyhood“ verlieh, sondern dem chinesischen Beitrag „Feuer am helllichten Tag“. Und die Oscar-Buchmacher können die Wetteinsätze erhöhen. Die Globes sind der Gradmesser für den Oscar, 2014 und 2013 waren die Sieger in der Disziplin „Bester Film“ identisch. Was das Rennen nur spannender macht, denn als Favorit galt bislang Alejandro González Inárritus Broadway-Komödie „Birdman“.

Beste Robe auf dem Roten Teppich: Conchita Wurst

Gewonnen hat die siebenfach nominierte Satire über die Entertainmentbranche nur zwei Preise: fürs Drehbuch und für Hauptdarsteller Michael Keaton. Er spielt einen abgehalfterten SuperheldenStar, eben Birdman, der ein Comeback am Broadway versucht. Ein grandioser Film über Schauspieler in der Krise, über Eifersuchts- und Konkurrenzkriege hinter den Kulissen und auf offener Bühne (Edward Norton und Naomi Watts sind mit von der Partie), eine rasante Selbstreflexion in eigener Sache. Glaubt man den Globes, schreckt die US-Filmfamilie davor offenbar zurück. Mal sehen, wie „Birdman“ abschneidet, wenn am Donnerstag die Oscar-Nominierungen bekannt gegeben werden. Den Komödien-Globe gewann jedenfalls ein anderer Film, Wes Andersons „The Grand Budapest Hotel“ – diesmal schön synchron mit der Berlinale-Jury, die Anderson den Silbernen Bären verlieh .

Eine britisch-deutsche Koproduktion (Babelsberg und das hiesige Medienboard waren beteiligt) unter amerikanischer Regie, mit britischen Stars wie Ralph Fiennes und Jude Law besetzt – und mit US-Kollegen wie Willem Dafoe oder Bill Murray in Nebenrollen. Die fantastische, keineswegs nur komische, zutiefst europäische Story ist im Ungarn der Zwischenkriegszeit angesiedelt, am Vorabend des Faschismus.

Der Preis für den besten Hauptdarsteller in einem Drama ging ebenfalls an einen Briten, an Eddie Redmayne für seine Rolle als Stephen Hawking im Biopic „Die Entdeckung der Unendlichkeit“. Bei den Darstellerinnen trugen Julianne Moore (im Alzheimer-Drama „Still Alice“) und Amy Adams (in Tim Burtons Künstlerkomödie „Big Eyes“) die Trophäen davon. Den Globe als bester ausländischer Film gewann das russische Korruptionsdrama „Leviathan“ – eine gute Nachricht: Bei den Europäischen Filmpreisen war es leider leer ausgegangen.

Und die beste Robe? Geht ebenfalls an einen Europäer, in Personalunion mit einer Europäerin: an die österreichische Song-Contest-Siegerin Conchita Wurst. Rosa Bustier, tief dekolletiertes, hochgeschlitztes flaschengrünes Samtkleid: Laut „People“-Magazin hat Wurst das Zeug zur Königin des roten Teppichs.

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