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Panorama: Greenpeace sägt am Holzbein der kanadischen Industrie

Kampagne gegen Kahlschlag / Politiker fürchten um ArbeitsplätzeVON BARBARA HALSIG OTTAWA.Kanadas Waldschützer sind stolz auf eine deutsche Bergsteigerin.

Kampagne gegen Kahlschlag / Politiker fürchten um ArbeitsplätzeVON BARBARA HALSIG OTTAWA.Kanadas Waldschützer sind stolz auf eine deutsche Bergsteigerin."Seit elf Tagen ist Patricia Fromm hoch oben an einem Baumstamm-Greifer angekettet", berichtete Tzeporah Berman vom kanadischen Greenpeace-Büro in Vancouver Anfang dieser Woche.Die Deutsche verteidige den uralten temperierten Regenwald auf King Island.Es sei aber zu erwarten, daß die Polizei sie bald festnehmen werde. Die 33jährige Bergsteigerin ist nicht die einzige, die sich in Kanadas Pazifikprovinz British Columbia Holzfällern, Forstindustriellen und der Polizei in den Weg stellt, um die Waldgebiete vor der Vernichtung zu retten.Das internationale Greenpeace-Netzwerk hat in diesem Sommer eine Kampagne in Westkanada begonnen, die einheimische Zeitungen bereits als Umwelt-Krieg charakterisieren.Sie übertreiben nicht.Vor wenigen Tagen noch beschimpfte der Regierungschef der Provinz, Glen Clark, die Greenpeace-Ausländer und ihre einheimischen Kollaborateure als "Feinde British Columbias", weil sie "mit amerikanischen Interessen gegen unsere Industrie und Arbeitsplätze arbeiten".Berman schoß zurück: Clark sei ein "Dinosaurier", der sich "an die Industrie verkaufe". Greenpeace und mehrere Umweltgruppen sind beflügelt von einem neuen Report, der kürzlich von dem Weltressourceninstitut in Washington unter Leitung des Kanadiers Maurice Strong herausgegeben wurde.Kanada, Rußland und Brasilien besäßen etwa 70 Prozent des ursprünglichen Waldes dieser Erde und hätten daher die Verpflichtung und die Chance, die Wildnis zu erhalten, heißt es in dem Bericht.Eines der betroffenen Gebiete ist der Wald des Großen Bären, der sich von der nördlichen Spitze der Vancouver-Insel an Kanadas Pazifiküste bis zur Nordgrenze British Columbias in Richtung Alaska hinzieht.Die Bedrohung für diese artenreiche Heimat von Grizzlys, Adlern oder Urwaldriesen ist akut.Drei Holzkonzerne haben dort Abholzrechte, und ihre bevorzugte Methode ist der Kahlschlag. Noch besitzt British Columbia den größten unberührten Trakt uralten Regenwaldes der gemäßigten Zone.Im Gegensatz zum tropischen Regenwald in Brasilien ist das Ausmaß dieses Urwaldes aber bisher noch nicht gründlich erforscht worden."Wir brennen die Bücherei ab, bevor wir die Bücher kennen", kommentiert Berman den Kahlschlag in diesem Gebiet.36 der 76 ungeschützten Täler im Wald des Großen Bären sollen in den nächsten fünf Jahren den Äxten zum Opfer fallen.Greenpeace macht daher nicht nur Front vor Ort, sondern hat auch die Kunden der westkanadischen Holzindustrie zum Boykott aufgerufen.Allein in den USA appellierte Greenpeace nach kanadischen Medienberichten an 5000 Holz- und Papierabnehmer. Ein Erfolg würde die Industrie British Columbias schwer treffen, meinte Kanadas Presse, die sich sichtlich unklar darüber ist, ob sie die Aktion preisen, als "romantischen Widerstand" abtun oder verurteilen soll.Holz ist das Standbein der Provinzwirtschaft.Und nachhaltige Bewirtschaftung einem Dorf voller arbeitsloser Holzfäller nahezubringen - nicht einmal Greenpeace versucht das mehr.Dem Umdenken förderlich ist nur der Druck auf die Industrie.Als vor ein paar Jahren im letzten Kampf um den Clayoquot Regenwald auch deutsche Großverlage Boykottabsichten kundtaten, war das Grund genug für den damaligen Premier Mike Harcourt, besorgt nach Deutschland zu reisen.Harcourt machte etliche Zugeständnisse an den Umweltschutz.Seine Regierung verabschiedete einen Kodex, der größere Schutzgebiete auswies, eine Reduzierung des Kahlschlags vorschrieb und strikte Umweltvorschriften beim Bau von Holzfällerstraßen beinhaltete. Premier Clark hat diese Vorschriften nun wieder gelockert, angeblich, um der Industrie unnötige Kosten durch zuviel Bürokratie zu ersparen.Clark hat Rückhalt in der eigenen Provinz.Er verspricht unter anderem 21 000 neue Jobs im hochautomatisierten Forstsektor."Kanada ist kein Entwicklungsland, es hat die Verantwortung gegenüber der Welt, die Artenvielfalt zu erhalten", sagt dagegen Tzeporah Berman.Um dem nachzuhelfen, bleibt auch Patricia Fromm angekettet.Der entscheidende Kampf jedoch dürfte sich im Ausland abspielen, wenn Abnehmer der Holzindustrie und deren Kunden darüber entscheiden, wer in British Columbia Unterstützung verdient.

BARBARA HALSIG

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