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Großbritannien: Big Brother geht zur Schule

Die Briten wollen Videoüberwachung bei Schulprüfungen einführen - denn die Schüler haben aufgerüstet.

Von Markus Hesselmann

Im Mutterland der Videoüberwachung dringen die Kameras immer weiter vor. Neuen Plänen zufolge sollen bald Prüfungen in Schulen aufgezeichnet werden, um das Schummeln zu erschweren. „Wenn ein Schüler weiß, dass die Kameras da sind, ist das derselbe Effekt wie bei einem Blitzgerät im Straßenverkehr“, sagte John Dunford vom britischen Verband der Schul- und Collegedirektoren dem Rundfunksender BBC. „Es wirkt abschreckend.“

In Berlin führt schon der vergleichsweise harmlose Wunsch, den Außenbereich von Schulen durch Videokameras vor Gewalttätern und Dieben zu schützen, zu langwierigen bürokratischen Prozessen und lautstarken Protesten. Auf der Insel dagegen ist Datenschutz kein so hohes Gut wie in Deutschland und Videoüberwachung längst alltägliche Realität. Auf Straßen und Plätzen, in öffentlich zugänglichen Gebäuden und im Nahverkehr sind die Kameras allgegenwärtig. Auch Schulen werden längst per Video überwacht – vor allem um Gewalt- oder Drogendelikte zu verhindern. Die Offensive gegen das Schummeln im Prüfungssaal wäre nun ein weiterer Schritt zur Rundumkontrolle. Auch Tonaufzeichnungen kommen dabei in Frage.

Es werde aber für die Schulen keinen Zwang zur Videoüberwachung geben, sagte Andrew Harland, Vorsitzender des britischen Verbandes der Prüfungsaufseher. Zunächst wolle man die Idee an einigen Orten testen. Letztlich sollten die Schulen dann selbst entscheiden. „Es geht darum, die Kollegen, aber auch die Schüler selbst zu schützen“, sagte Harland. Schließlich werde auch jeweils das Verhalten der Prüfungsaufsicht dokumentiert. Zum Beispiel könne so die Frage zweifelsfrei geklärt werden, ob die Schüler zu Beginn der Prüfung alle für sie notwendigen Informationen erhalten haben. Auch seien die Kameras weniger aufdringlich als ein Aufseher, der die Schüler während der Prüfungen anstarre.

Es gibt derweil auch in Großbritannien durchaus Kritik an der fortschreitenden Videoüberwachung. Aber längst nicht in dem Maße wie in Deutschland, wo das Schreckensbild eines Überwachungsstaates auf Grund der Erfahrung mit zwei Diktaturen viel weiter verbreitet ist als auf der Insel. Der britische Verband der Lehrer und akademischen Mitarbeiter hatte unlängst seine Befürchtungen zum Ausdruck gebracht, dass bald auch das Verhalten der Lehrer überwacht und analysiert werde. Die neuen Pläne weisen nun genau in diese Richtung.

Der oberste Prüfungsaufseher begründet seine Pläne pragmatisch: Die Schüler rüsteten auf, also müssten dies auch die Kollegen, sagte Andrew Harland. Der klassische Spickzettel ist längst nicht passé, aber immer häufiger nutzen die Schüler den technologischen Fortschritt. Im Jahr 2006, dem letzten, aus dem Statistiken vorliegen, erhöhte sich laut BBC die Zahl der aufgeflogenen Schummeleien in England um mehr als ein Viertel gegenüber dem Vorjahr. Meist ging es dabei um unerlaubte Hilfsmittel, die mit in den Prüfungsraum gebracht wurden, größtenteils Mobiltelefone. Per SMS lassen sich die Schummler dann Antworten auf Prüfungsfragen schicken.

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