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Güterzug-Unfall: Annäherung nur im Schutzanzug

Feuerwehrmänner und Experten sind an der Bahnstrecke zwischen Elmshorn und Tornesch, um die Unfallstelle abzusichern. In der Nacht war ein Güterzug verunglückt, aus dem giftige Stoffe entweichen.

Heidgraben - Erschöpft und verschwitzt schält sich ein Feuerwehrmann aus dem blassroten Gummi-Vollschutzanzug und gibt seine Eindrücke vom Unfallort wider: Einen riesigen Haufen Schrott, mehrere ineinander verkeilte Güterwagen habe er an der Unfallstelle gefunden, berichtet der junge Mann seinen Kameraden. "Ein Kesselwagen ist ausgelaufen." Da sei aber so einfach kein Herankommen, andere Waggons liegen auf der Ladung ätzender Chloressigsäure. "Wie Spaghetti ragen die Schienen durcheinander", kommentiert ein anderer Feuerwehrmann.

Nördlich von Hamburg, auf der wichtigen Zugstrecke zwischen Elmshorn und Tornesch (Schleswig-Holstein), waren in der Nacht elf Waggons eines Güterzugs entgleist. Aus den zerfetzten Wagen traten giftiges Chloressiggas und der feste Stoff Natriumpercarbonat aus. Menschen wurde nicht verletzt. Die Ursache war zunächst unklar.

Bevölkerung bleibt ruhig

Für die meisten Feuerwehrleute, Polizisten, Bahnmitarbeiter und die Gruppe der herbeigeeilten Journalisten lässt sich aus sicherer Entfernung das Ausmaß der Zerstörung nur erahnen. Die Gewalt des Unglücks muss enorm gewesen sein. Über der Szene kreist knatternd ein Hubschrauber der Bundespolizei. Auf Luftbildern wird das Ausmaß der Zerstörung deutlich: Wagen sind quer über die Gleise und bis weit in die angrenzenden Büsche gerutscht, die Ladung ist weit verstreut.

Von dem infernalischen Lärm, den der Unfall mitten in der Nacht verursacht haben muss, haben im wenige hundert Meter entfernten Dorf Heidgraben viele Bewohner nichts mitbekommen. Auch die Warnungen vor giftigen Chemikalien versetzen hier niemanden in Unruhe. Der Postbote radelt wie jeden Tag von Haus zu Haus, Rentner führen ihre Hunde spazieren. "Ich weiß nichts genaues, ich habe gar nichts gehört", sagt Rainer Dieck auf dem Hof seines Hauses. Feuerwehrsprecher Michael Bunk beruhigt: Der Absperrradius von 100 Metern reiche aus. "Die Chloressigsäure verdünnt sich sehr schnell."

Glück im Unglück

Zur Sicherheit rollen einige der rund 100 Feuerwehrleute Schläuche bis zur Unfallstelle aus, an die sie mit ihren schweren Einsatzfahrzeugen nicht herankommen. Vor und hinter der Unfallstelle haben Helfer eine Verbindung zwischen Schienen und Oberleitung hergestellt, um den abgeschalteten Fahrdraht zu erden. Inzwischen haben sich Fachleute um die Fahrzeuge der Einsatzleitung versammelt. Wie groß der Umweltschaden am Ende sein wird, ist noch nicht klar, am Vormittag kann man nur zusehen, wie die Säure aus dem Kesselwagen läuft. Eine Chance, das Leck abzudichten, gibt es nach ersten Beobachtungen der Feuerwehrleute nicht.

Für den Nachmittag wird ein Kran der Bahn erwartet, der das Stahlknäuel auseinander heben soll. Ein Autokran scheidet aus. "Wir kommen nicht an die Stelle heran", sagt Feuerwehrsprecher Bunk. In den nassen Wiesen zwischen Hauptstraße und Schienenstrang würde jeder Lastwagen hoffnungslos versinken. Was für die Bergung ein Nachteil ist, erweist sich dennoch als Glück: Keine zwei Kilometer weiter wäre der Güterzug mit seinen 21 Waggons in Tornesch dicht an Wohn- und Geschäftshäusern vorbei über eine Hauptstraße gerattert. (Von Sönke Möhl, dpa)

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