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Panorama: Hamburger für Bush, Lamm für Hillary

Elf Jahre lang war er Chefkoch im Weißen Haus – Walter Scheib kennt die Eigenheiten der Präsidenten

Fünfstellige Beträge haben ihm britische Boulevardzeitungen geboten, Walter Scheib ist der Versuchung nicht erlegen. Natürlich, es gäbe da schon das eine oder andere, was Schlagzeilen machen könnte. Sein Lächeln ähnelt nun einem anzüglichen Grinsen. Von 1994 bis 2005 hat er als Chefkoch im Weißen Haus gelebt, erst unter den Clintons, dann den Bushs, da gehört man quasi zur Familie. Doch Intimes wird er nicht preisgeben, „das ist Ehrensache“.

Jetzt wird erst mal die Suppe aufgetragen, das rettet den langen, schlanken 52-Jährigen vor bohrenden Nachfragen. Genauer: zwei Suppen. Die sämige Auberginencreme ist eine Reverenz an Hillary, die Minze-Erbsen-Kaltschale liebt Laura besonders, begleitet von einem Sancerre, der einzigen nichtamerikanischen Zutat des Abends. Zwei politische Lager, zwei Welten, zwei Stile. „Die Bushs sind einfacher, wenn es um die professionelle Seite geht. 19 Uhr Dinner hieß: Wir konnten 18 Uhr 58 mit dem Auftragen beginnen.“ Die Clintons hatten es nicht so mit der Pünktlichkeit, „sie nannten das ihre Spontaneität“.

In den ersten Jahren, unter demokratischer Herrschaft, begann Scheibs Tag um 5 Uhr morgens, dann gab es „rollendes Frühstück“, Tochter Chelsea erschien ungern vor 11, und „abends wusste man nie, wie lange es geht“. Die Clintons liebten Geselligkeit bis in die Nacht. George und Laura sind berechenbar, um vier Uhr morgens erwacht das Weiße Haus, um 23 Uhr sind die Lichter aus. Die Zwillinge Barbara und Jenna zogen nicht mehr mit ein, sie waren schon im College und kamen nur als Gäste. Und der Umgangston? „Die Clintons haben einen mehr einbezogen, man gehörte zur Familie. Die Bushs sind eine reiche Familie, die hatten schon zuvor Personal. Da war mehr Distanz.“

Wir sitzen im Restaurant „Zur vierten Gewalt“ im National Press Club Washington. Offiziell kocht Walter Scheib an diesem Abend für eine überschaubare Zahl von Gästen kulinarische Highlights aus dem Weißen Haus. Tatsächlich erledigen Kollegen die Arbeit hinter den Kulissen. Er plaudert, um für sein Buch zu werben: „Chefkoch im Weißen Haus. Elf Jahre, zwei Präsidenten, eine Küche“, angereichert mit vielen Rezepten. Er trägt einen weißen Kochkittel mit dem präsidialen Wappen auf der linken Brust, darunter in roter Kursivschrift sein Name.

Mit einer kategorischen Handbewegung schneidet er weitere Fragen ab, nicht nur weil jetzt zweierlei Salate kommen, gegrillte Artischocke und Rote Beete, dazu ein Rosé aus Kaliforniens Nappa Valley. Er will der Reihe nach erzählen. 1994 war er Chefkoch eines Tagungshotels in West Virginia. Auf dem Rückflug von der Beerdigung seiner Mutter in Kalifornien entdeckte seine Frau die Stellenausschreibung und entschied: „Da bewerben wir uns.“ Er war einer von rund 4000 – und schaffte es in die Endrunde.

Die Clintons wohnten bereits zwei Jahre im Weißen Haus, Hillary wollte frischen Wind: einen modernen amerikanischen Stil anstelle der traditionellen französischen Küche, dazu nicht nur Staatsessen, sondern auch lockere Picknicks auf der Südwiese – und das alles für viel mehr Gäste als zuvor. Dinners mit bis zu 900 Gästen, Picknicks mit bis zu 6000.

Was den Ausschlag gab? Beim Vorkochen für „Hillaryland“, den engsten Kreis der First Lady, habe er wie die anderen, berühmten Kollegen Leckerbissen auf den Tisch gezaubert, mit einer Beschränkung: Erlaubt war nur, was auch für 300 Gäste praktikabel war. Hillary hat ihn erstaunt gemustert, sich dann erklären lassen, wie er das schaffen würde. Es hat sie überzeugt. Zwischendurch steckte Bill den Kopf rein und fragte mit seiner heiseren Stimme: „Ist das der Typ, der künftig meine Big Macs zubereitet?“

Der Sicherheitscheck dauerte Monate im Schneeballsystem, erzählt Scheib, während die Zuhörer Alaska-Forelle an Wildpilz-Risotto genießen. „Ich musste zehn Namen von Bekannten aufschreiben, die wurden von den Agenten ausgefragt und mussten wieder zehn Namen angeben.“ Hinterher hieß es: „Jetzt wissen wir mehr über dich als deine Frau.“ Scheib versteht das, in der Geschichte sind einige Herrscher vergiftet worden. Und doch, bezahlte Vorkoster kennt das Weiße Haus nicht. „Wir probieren alle beim Kochen. In all den elf Jahren hatte nicht einer in der Küche eine Magenverstimmung.“

Als Hauptgang gibt es Lamm, „Hillarys Favorit“, und Bisonfilet zu George W.’s Ehren. „Hillary nannte mich ihren kulinarischen Lehrer.“ Tochter Chelsea, die Vegetarisches bevorzugt, hat Scheib, ehe sie studieren ging, eine Woche Kochunterricht erteilt. Er erzählt es mit Wärme. „Mrs. Bush wollte keinen Lehrer. Ihr Geschmack war festgelegt.“ Nun kam es immer öfter vor, dass nicht Scheib um Vorschläge für ein festliches Essen gebeten wurde. Er bekam Vorgaben, auch Rezepte aus irgendwelchen Illustrierten. Ihre Devise: „generous, flavourful, and identifiable“. Satte Portionen, deftiger Geschmack – und es muss erkennbar bleiben, bloß keine übertriebene Raffinesse. George W. brachte seine texanischen Snack-Vorlieben mit, zum Lunch am liebsten überbackenen Käse, Sandwichs mit Erdnussbutter, Hamburger. Koch Scheib war für ihn „Cookie“. Mit Salaten hatte Bush es nicht so, auch „roter Fisch“ war nur erlaubt, wenn gebraten.

Hat er noch ein Rechnung offen – die Clintons haben ihn „gehired“, die Bushs „gefired“? Nein, nein widerspricht Scheib beim Dessert, Pfirsich-Tarte mit Lavendel-Vanille-Eis, dazu ein Eiswein aus dem Staat New York. „Dankbar“ sei er, dass er 2000 bleiben durfte, „obwohl ich Hillarys Chefkoch war“. Es sei nur natürlich, dass die First Lady nach der Wiederwahl 2004 an ihr Bild in den Geschichtsbüchern gedacht habe und erstmals eine Frau zum „Chief“ der Küche ernannte: Cristeta Comerford. „Die habe ich selbst eingestellt.“ Es klingt ein wenig melancholisch.

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