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Panorama: Handel ohne Grenzen

In China blüht das Geschäft mit Hingerichteten – erste Proteste gegen Hagens Leichenfabrik

Die Ausstellung im Pekinger Naturhistorischen Museum werden viele Chinesen jetzt wohl mit anderen Augen sehen. Seit Anfang Januar werden dort zehn präparierte Leichen sowie mehr als 200 Körperteile aus Dalian ausgestellt – der Stadt, in der der umstrittene Körperwelten-Erfinder Gunther von Hagens seine Leichen präpariert. Besucher in Peking fragen sich jetzt, ob unter den dort ausgestellten ein zum Tode verurteilter Chinese ist.

Ausgeschlossen ist das nicht. In keinem Land der Erde werden so viele Menschen hingerichtet wie in China. Amnesty International zufolge wurden 2002 mindestens 1060 Hinrichtungen bekannt – weil es keine offiziellen Statistiken gibt, liegt die tatsächliche Zahl jedoch weitaus höher.

Wie kaum ein andere Regierung setzt Peking Todesurteile zur Abschreckung ein: Um vor dem chinesischen Neujahr am Donnerstag die Bevölkerung zu beruhigen, wurden in den vergangenen Tagen 15 „Kriminelle" hingerichtet. In der Vergangenheit ließ die Regierung Bauern zum Tode verurteilen, weil sie für ein paar hundert Yuan Steuerquittungen gefälscht hatten.

Dass Leichen von Hingerichteten auch der „Von Hagens Plastination Ltd" in Dalian angeboten wurden, wo von Hagens einen Teil der weltweit ausgestellten toten Körper präparieren lässt, ist angesichts der geringen staatlichen Kontrollen nicht verwunderlich. In China blüht seit Jahren ein illegaler Handel mit Organen von Hingerichteten. Berichten von Ärzten zufolge, sollen Leichen zum Teil systematisch ausgeschlachtet werden. „Meine Aufgabe war es, die Haut und Augenlinsen von den Körpern zu entfernen", berichtete 2001 der geflüchtete Hautarzt Wang Guoqi vor dem US-Kongress in Washington. Patienten aus Südostasien sollen für Nieren aus China bis zu 50000 Euro zahlen.

Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua ist bisher nicht geklärt, woher die in Peking ausgestellten Leichen stammen. Der stellvertretende Kurator des Museums, Shen Jingwu, bestätigte, dass die präparierten Leichen und Körperteile vom Dalian Medizininstitut stammten. Ob die Leichen in der von von Hagens betriebenen Fabrik behandelt wurden, ist offen. Einem Bericht der „South China Morning Post" zufolge soll von Hagens die Ausstellung in Peking zusammengestellt haben.

Gemischte Reaktionen

In Chinas Staatsmedien wurde über die Vorwürfe gegen von Hagens bisher nicht berichtet. Offenbar will die Regierung eine Diskussion über ihre Hinrichtungspraxis vermeiden. Von Hagens Körperwelten waren jedoch schon vorher in China umstritten. Nachdem ein chinesisches Magazin im Herbst über die Vorgänge in von Hagens „Leichenfabrik" in Dalian berichtet hatte, wurde im Internet und unter Wissenschaftlern Protest laut. Der Medizinwissenschaftler Chen Tianmin warf von Hagens eine „Kommerzialisierung" der Toten vor. Leichen sollten nur für Forschungszwecke präpariert werden.

Traditionell gehört im Konfuzianismus der Körper eines Menschen den Eltern und muss nach dem Tod möglichst unversehrt in der Erde bestattet werden.

Viele Chinesen sehen von Hagens Installationen deshalb kritisch. Berichten von britischen Journalisten zufolge, die 2002 die Leichenfabrik in Dalian besuchen durften, gibt es jedoch auch Chinesen, die ihren Körper von Hagens stiften wollten. Er wolle nach seinem Tod mit von Hagens Ausstellung „die Welt bereisen", zitierte der „Mirror" damals den 38-jährigen Kaufhausangestellten und künftigen Körperspender Shao Weijia aus Dalian.

Die Ausstellung im Pekinger Naturhistorischen Museum, die drei Monate lang laufen soll, hat bisher gemischte Reaktionen bei den Besuchern ausgelöst.

Die Designerin Wang Yanyan kritisierte die kommerzielle Darstellung der Leichenpräparate. „Wenn die Aufgabe der Ausstellung die Aufklärung der Besucher ist, dann sollte sie umsonst sein", sagte sie der „South China Morning Post."

Die 59 Jahre alte pensionierte Ärztin Duan Mei hatte dagegen nichts gegen die Ausstellung der Leichen, weil es sich bei den Ausgestellten ihrer Meinung nach um die Körper von Hingerichteten handelte. Auf diese Weise könnten die Kriminellen nach ihrem Tod noch einen Beitrag für die Gesellschaft leisten, erklärte sie.

Harald Maass[Peking]

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