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Havariert. Das Kreuzfahrtschiff Costa Concordia lief am 13. Januar 2012 nahe der toskanischen Insel Giglio auf Grund. Das Wrack ist bis heute nicht geborgen.

© dpa

Havarie der "Costa Concordia": Entscheidung über Strafprozess gegen Kapitän Schettino steht bevor

Heute muss sich der Kapitän der "Costa Concordia" vor einem toskanischen Untersuchungsrichter verantworten. Die Staatsanwaltschaft hofft, dass er ein Strafverfahren gegen ihn einleiten wird. Der Kapitän selbst wehrt sich.

„Ins Meer gesprungen und ertrunken.“ 32 Mal geht das so. So viele Menschen sind bei der Havarie der „Costa Concordia“ gestorben – 27 Passagiere, fünf Besatzungsmitglieder – und bei jedem einzelnen listen die Staatsanwälte genau auf, wie er an jenem 13. Januar 2012 zu Tode gekommen ist. Sechsmal steht der ganze Katalog in der 707-seitigen Anklageschrift. Jeder der sechs Beschuldigten soll mit den Opfern konfrontiert werden, die Kapitän Francesco Schettino laut Staatsanwaltschaft auf dem Gewissen hat.

Schettino steht mit zwei seiner führenden Offiziere, dem indonesischen Steuermann, dem Chef des Hotelbetriebs auf dem Kreuzfahrtschiff und dem Leiter des Krisenstabs bei der Reederei Costa am heutigen Montag im toskanischen Grosseto vor dem Untersuchungsrichter. Er soll entscheiden, ob gegen sie der Strafprozess aufgenommen wird, den die Staatsanwälte fordern. So will es das italienische Recht. Die nicht öffentliche Vorverhandlung wird sich nach den gegenwärtigen Plänen bis in den Juli hinziehen.

„Unglaubliche Fehler“ werfen die Staatsanwälte dem heute 53-jährigen Kapitän Schettino vor, „und zwar in allen Phasen des Ereignisses, angefangen von der skrupellosen Annäherung an die Felsenklippen der Insel Giglio über das kriminelle Krisenmanagement bis hin zum Verlassen des Schiffs mit all den hilflosen und terrorisierten Personen an Bord“. Die Offiziere hätten daran mitgewirkt durch „Nachlässigkeit, Unerfahrenheit, durch Verletzen von Verfahrensregeln und Gesetzen“. Niemand, so die Anklage, habe den Kapitän auf die Risiken der zu schnellen, auch noch nächtlichen Fahrt „in exzessiver Nähe zur Küste“ aufmerksam gemacht; niemand habe rechtzeitig den Befehl zum Verlassen des Schiffes gegeben; dadurch seien die Rettungsmaßnahmen „zu spät, in unzureichender Weise und unorganisiert“ vonstatten gegangen – während Besatzung und Reederei in gemeinsamer Aktion die Küstenbehörden mit beschönigenden, verharmlosenden Meldungen beschwichtigt hätten. Technische Unzulänglichkeiten des Schiffes, die als Grund für die Kollision mit den Klippen und für die Folgen des Unfalls infrage kommen könnten, schließen die Staatsanwälte rundweg aus.

Schettino hingegen wehrt sich. Von einem Verbrechen zu reden, sei „nicht hinnehmbar“, sagt er. Ausschließlich seine Reaktion „in der durch einen Unfall geschaffenen Notlage“ habe „das Sinken des Schiffes und damit Tausende von Opfern verhindert“, erklärt der heute entlassene Kapitän den Medien: „Das beweisen alle Rekonstruktionen des Vorgangs.“ Und der Staatsanwaltschaft wirft er vor, „die Öffentlichkeit mit Behauptungen aufzuhetzen“, die nicht von Fakten gedeckt seien.

Die Reederei Costa als solche hat sich unterdessen aus dem Strafprozess freigekauft. Gegen die Zahlung von einer Million Euro – was als Schuldeingeständnis gilt – verzichtet die Staatsanwaltschaft darauf, das Genueser Kreuzfahrtunternehmen für die Opfer zur Verantwortung zu ziehen und es beispielsweise wegen Nichtbeachtung von Sicherheits- und Unfallverhütungsregeln anzuklagen. Der Richter im Vorverfahren hat den Deal akzeptiert; die zivilrechtliche Verantwortung der Reederei zur Entschädigung der Verletzten oder der Hinterbliebenen, heißt es, bleibe davon unberührt. Während zahlreiche Passagiere das Angebot der Reederei auf Zahlung von bis zu 14 000 Euro bereits angenommen haben, laufen – nach unbestätigten Meldungen – vor allem in den USA noch mindestens 120 Zivilklagen auf höheren Schadensersatz. Auch der italienische Verbraucherschutzverband Codacons hält die freiwilligen Zahlungen der Reederei für „lediglich ein Almosen“. Der Deal mit dem Gericht sei „eine Ohrfeige“ für Geschädigte und Hinterbliebene.

Die Bergung des Wracks vor der toskanischen Insel Giglio geht unterdessen langsamer voran als erwartet. Sprachen Reederei und Zivilschutz gleich nach der Havarie davon, die knapp 300 Meter lange und 60 Meter hohe Costa Concordia könnte in maximal einem Jahr abtransportiert sein, so gibt es 15 Monate nach dem Unglück keinerlei festen Zeithorizont mehr – obwohl die mehreren hundert Beschäftigten des Bergungskonsortiums rund um die Uhr arbeiten und sich etliche italienische Häfen um den Auftrag zur Zerlegung des Wracks reißen. Zuletzt wurden im Meeresgrund die größten Teile jener Stahlplattform verankert, auf die sich das Schiff beim erwarteten Aufrichten stützen soll. Ferner ruht das Wrack bereits jetzt gegen Abrutschen und Auseinanderbrechen gesichert auf einem Bett aus 18 000 Tonnen Zement. Die Insel Giglio, die vom Tourismus lebt und 2012 einen Buchungsrückgang von etwa einem Drittel hat hinnehmen müssen, richtet sich unterdessen widerwillig darauf ein, dass die Costa Concordia noch das ganze Jahr auf den Klippen liegen bleibt. So sagte es Bürgermeister Sergio Ortelli an Ostern: „Wenn sie weg ist, dann feiern wir Auferstehung.“

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