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Des Doppelmordes angeklagt. Jan O. kommt am Mittwoch zum Prozessauftakt im Landgericht in Göttingen Foto: dpa

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Panorama: „Heimtückisch und grausam“

Doppelmord an zwei Jugendlichen in Bodenfelde vor Gericht / Angeklagter gesteht die Taten

Draußen, vor dem Gerichtssaal, haben Jugendliche Transparente mit den Namen von in Deutschland getöteten Jugendlichen aufgespannt. Es ist eine lange Liste. Der 26-jährige Jan O., der am Mittwoch in Göttingen vor den Richter geführt wurde, ist angeklagt, zwei von ihnen ermordet zu haben: die 14-jährige Nina und den 13-jährigen Tobias aus dem niedersächsischen Bodenfelde.

Als er in den Gerichtssaal geführt wird, hält O. eine rote Mappe hoch, um sein blasses Gesicht vor den Kameras zu schützen. Die ihm zur Last gelegten Taten gibt sein Mandant im Grundsatz zu, sagt Rechtsanwalt Markus Fischer. Zu den Einzelheiten wolle sich O. zunächst aber nicht äußern. Das macht dann der Staatsanwalt. Er führt aus, O. habe die Taten „zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes, heimtückisch und grausam“ begangen. Am 15. November 2010 habe der Beschuldigte nach dem Konsum mehrerer Flaschen Bier zunächst geplant, Nina zu vergewaltigen. Als das Mädchen um Hilfe rief, habe O. sie am Rand einer Fichtenschonung gewürgt, zu Boden geworfen, eine volle Flasche auf ihrem Kopf zertrümmert und ihr die Kehle durchgeschnitten.

In einem in der U-Haft verfassten Geständnis hat O. geschildert, dass er Nina unter anderem in den Hals und in die Zunge gebissen und auch versucht habe, eine Zehe ihres rechten Fußes abzubeißen – ob das Mädchen da noch lebte, sollen Gutachter im Prozess klären. Am 22. November tötete O. laut Anklage den 13-jährigen Buben. Zunächst hat er Tobias offenbar für ein Mädchen gehalten. Der Junge musste sich entkleiden, bevor er mit Dutzenden Messerstichen zu Tode gequält wurde. Das Blut hat O. nach der Tat auf dem Körper des Opfers verteilt.

Im vergangenen November hatten Polizisten in einem Fichtenhain am Ortsrand von Bodenfelde an der Oberweser die Leichen der beiden Jugendlichen entdeckt, teilweise entkleidet, blutverschmiert, übersät mit Schnittwunden. Nina und Tobias galten nach ihrem Verschwinden zunächst als vermisst. Das Mädchen war von zu Hause ausgerissen und nicht wieder aufgetaucht. Der Junge hatte wenige Tage später einen Freund zum Bahnhof gebracht und war von dort nicht nach Hause zurückgekehrt.

Der Verdächtige war bald ausgemacht. Die Beamten nahmen den drogensüchtigen Jan O. am 22. November auf dem Bahnhof von Bodenfelde fest. Im Internet hatte er schon einen Tag nach dem Mord mitgeteilt: „Gestern Mädchen geschlachtet. Jeden Tag eins, bis sie mich erwischen“. Boulevard-Medien titulieren den Angeklagten seither als „Kannibalen-Killer“. Verteidiger Fischer sagte am Mittwoch, der Angeklagte stehe inzwischen „fassungslos vor dem, was er angerichtet hat“. Der Anwalt vermutet, dass O. im Prozess schuldig gesprochen wird, aber nicht im Gefängnis, sondern in der Psychiatrie landet.

Das hält offenbar auch die Staatsanwaltschaft für möglich. In einem bislang nur mündlich erstatteten Gutachten kommt ein psychiatrischer Sachverständiger zu dem Schluss, dass Jan O. allenfalls eingeschränkt steuerungsfähig war. Nach Angaben der Polizei ist der Angeklagte zudem alkohol- und drogenkrank.

In den Wochen vor den Morden hatte O. mehrfach gegen Bewährungsauflagen verstoßen. Er war 2007 wegen einer Einbruchsserie zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Knapp zwei Wochen vor den Morden, kurz nach Haftentlassung, war er dann in Bodenfelde wegen fahrlässiger Brandstiftung festgenommen aber wieder freigelassen worden. Bürgermeister Hartmut Koch wirft der Justiz bis heute vor, Jan O. wegen der Bewährungsverstöße nicht inhaftiert zu haben.

Beobachter rechnen damit, dass wegen der Grausamkeit der Verbrechen die Öffentlichkeit teilweise aus dem Prozess ausgeschlossen wird.

 Reimar Paul[Göttingen]

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