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Panorama: "Hells Angels"-Prozess: Elf Rocker unter Verdacht

Auf die Ledersitze ihrer Harley Davidsons müssen elf Mitglieder der "Hells Angels" wohl vorerst verzichten. Im Hochsicherheitssaal des Düsseldorfer Landgerichts begann gestern das Verfahren gegen Mitglieder der wohl mächtigsten Rockergruppe der Welt.

Auf die Ledersitze ihrer Harley Davidsons müssen elf Mitglieder der "Hells Angels" wohl vorerst verzichten. Im Hochsicherheitssaal des Düsseldorfer Landgerichts begann gestern das Verfahren gegen Mitglieder der wohl mächtigsten Rockergruppe der Welt. Ihnen wird unter anderem die Bildung einer kriminellen Vereinigung, Waffen- und Sprengstoffbesitz sowie Raub und Vergewaltigung vorgeworfen.

Das rotbraune Backsteingebäude mit dem fensterlosen Prozessbunkerglich am Freitagmorgen einer Festung. Bereitschaftspolizei, Reiter und weitere Sicherheitskräfte hatten den Verhandlungsort in der Tannenstraße nicht weit von der Justizvollzugsanstalt weiträumig abgesperrt.

Die Polizei nahm offenbar Hinweise ernst, dass Waffen in den Gerichtssaal geschmuggelt werden sollten oder sogar eine Gefangenenbefreiung geplant wäre. Doch auf eine Konfrontation hatten es die Harley-Rocker mit ihren in Nordrhein-Westfalen verbotenen Totenkopf-Westen, den sogenannten Kutten, nicht abgesehen. Im Zuhörerraum saßen die Freunde der Angeklagten brav in ihrer Zivilkleidung.

Der 44-Jährige Hauptangeklagte und sogenannte Präsident des Düsseldorfer Ablegers der Hells Angels schien den großen Sicherheitsaufwand beinahe zu genießen. Mit ihm sitzen sein 41-jähriger Vize-Präsident und ein weiteres Mitglied der vom Land Nordrhein-Westfalen verbotenen Düsseldorfer Gruppe in Untersuchungshaft. Acht Mitangeklgate sind auf freiem Fuß.

Bundesweit sollen die Hells Angels über 700 Mitglieder in 40 Gruppen haben. Ungeachtet des Verbotes des Düsseldorfer Ablegers läuft das Vereinsleben anderswo ungestört weiter. Die knapp 30 Verteidiger der zwischen 32 und 44 Jahren alten Angeklagten überzogen die vierte Große Strafkammer gleich zu Beginn der Verhandlung mit einer Antragsflut. Die Anwälte störte vor allem die ihrer Meinung nach überzogenen Sicherheitsmaßnahmen und die zwischen ihren Mandanten bestehende Kontaktsperre. Doch der vorsitzende Richter Rudolf Wolff ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen.

Mit demonstrativ unbeteiligter Mimik hörten sich die elf Engel der Hölle, so die Übersetzung ihres Club-Namens, die umfangreiche Anklageschrift an. Die Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft stützen sich dabei vor allem auf zwei großangelegte Razzien in dem festungsartig gesicherten Hauptquartier des Motorradclubs in Düsseldorf. Nach Hinweisen aus der Kneipenszene der Landeshauptstadt hatte die Polizei im Dezember 1999 mit über 900 Beamten Vereinsräume und Wohnungen durchsucht.

Knapp einen Monat später rückten die Fahnder zum zweiten Mal aus. Diesmal um die Organisationsstruktur der Gruppe entgültig zu zerschlagen. Dabei wurden Teile des Vereinsvermögens beschlagnahmt. Außerdem stellte die Staatsanwaltschaft einen Computer mit Details über die Struktur der Rockergruppe sicher. Der 44-jährige Rocker-Präsident, ein gelernter Maschinenschlosser, führte die knapp 100köpfige Düsseldorfer Gang nach einem straffen Gehorsamsprinzip. Seinen Befehlen, so die Anklage, musste ohne zu Murren gefolgt werden. Abweichlern oder verfeindeten Motorradgruppen drohten drakonische Strafen.

In einem Fall sollen einige der Angeklagten einen Düsseldorfer Zweiradhändler bedroht und ausgeraubt haben. Um der Drohung Nachdruck zu verleihen, habe der Präsident einen potentiellen Nachfolger dieses Händlers nach Westernmanier "tanzen lassen", indem er ihm aus seiner Waffe unmittelbar vor die Füße schoss. Dem Präsidenten werden außerdem zwei Vergewaltigungen vorgeworfen.

Das Gericht hat zunächst 20 Verhandlungstage angesetzt. Insgemsamt werden bei diesem Mammutprozess über 90 Zeugen geladen sowie diverse Gutachter hinzugezogen. Den Angeklagten drohen Höchststrafen zwischen fünf und 15 Jahren.

Michael Weeke

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