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Panorama: Heparin unter Verdacht

Blutverdünner ist eventuell verunreinigt

Berlin - Die deutsche Arzneimittelbehörde BfArM hat einen gesundheitsgefährdenden Blutverdünner vom Markt genommen. Es bestehe der „dringende Verdacht einer Verunreinigung“. Bei dem Blutverdünner handelt es sich um Heparin der Firma Rotexmedica. Offenbar ist es in etwa 80 Fällen zu allergischen Schocks gekommen. Todesfälle sind nicht bekannt.

Zumindest nicht in Deutschland. Besondere Brisanz erhält der Rückruf nämlich, weil es in den USA seit Anfang des Jahres zu fast 800 Fällen von allergischen Reaktionen in Zusammenhang mit der Verabreichung von Heparin einer Firma namens Baxter gekommen ist; 19 Menschen starben. Viele von ihnen waren allerdings ohnehin schwerkrank. Die amerikanische Arzneimittelbehörde hat das Medikament inzwischen vom Markt genommen und alle US-Hersteller aufgefordert, ihre Heparin-Vorräte auf Verunreinigungen zu prüfen.

Die gemeinsame Quelle der Verunreinigungen liegt in China, das einen Großteil der Welt mit Heparin versorgt – und zwar insgesamt 42 Länder. Damit könnte sich die Rückrufaktion, die sich bislang auf Deutschland und die USA beschränkt, eventuell zu einem globalen Problem ausweiten.

Mehr noch, es gibt Spekulationen darüber, dass es sich bei der Verunreinigung um eine gezielte Medikamentenfälschung handelt. Chemische Analysen, die man am Heparin der US-Firma Baxter vorgenommen hat, ergaben, dass das Medikament aus bis zu 20 Prozent „verunreinigter“ Substanz bestand. Die Substanz war dem Heparin zudem so ähnlich, dass sich ein Unterschied nur mit Hilfe aufwendiger Magnetresonanzspektrografie-Untersuchungen feststellen ließ. Ob Ähnliches auch für das Heparin von Rotexmedica in Deutschland gilt, ist noch nicht bekannt.

Heparin wird aus der Schleimhaut des Schweinedünndarms und aus Rinderlungen hergestellt. Chemisch gesehen handelt es sich um ein Gemisch unterschiedlich langer Zuckermolekülketten. Sie verstärken die Wirkung des Moleküls Antithrombin III. Das ist ein körpereigenes Eiweiß, das die Blutgerinnung hemmt und das Blut auf diese Weise „flüssiger“ macht. Heparin ist ein weit verbreitetes Medikament, da es generell nach Operationen eingesetzt wird, um die Gefahr von Blutpfropfen zu verringern.

Allerdings gibt es zwei verschiedene Formen von Heparin: unfraktioniertes sowie fraktioniertes. Unfraktioniertes Heparin wirkt schnell und wird oft in Krankenhäusern als Infusion in eine Vene, zum Beispiel am Arm verabreicht. Es dient der Vorbeugung und Therapie bei Thrombosen und Embolien. Fraktioniertes Heparin wirkt länger und wird unter die Haut gespritzt – was man auch zu Hause machen kann. Vom Rückruf betroffen ist nur das unfraktionierte Heparin. Laut Arzneiverordnungsreport wurde dieser Heparintyp 2006 fast 110 000 mal verschrieben. Patienten, die Heparin zur Injektion anwenden, sollten die Behandlung nicht ohne Absprache mit ihrem Arzt beenden. Bas Kast

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